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Jetzt jagt Phil seinen Coach

LAG-Stabhochsprungtalent will sämtliche Kreisrekorde pulverisieren

Von Marco Purkhart
(Text und Foto)
Gütersloh (WB). Rückt da etwa der neue Sergej Bubka an? »Ach was, dieser Mann ist ein Halbgott«, schwärmt Phil Wittenbrink in gesunder Bescheidenheit. Den 6,14-Meter-Weltrekord der ukrainischen Stabhochsprung-Ikone hat die 14-jährige Nachwuchshoffnung der LAG Gütersloh noch lange nicht ins Visier genommen. Wohl aber sämtliche heimischen Kreisrekorde: »Ich will sie alle knacken!«

Eine freche Ankündigung, die der clevere Neuntklässler des Städtischen Gymnasiums (Notenschnitt 1,9) allerdings mit sympathisch verschmitztem Lächeln statt Anflügen von Größenwahn formuliert. Denn großspurige Lautsprecher-Typen, die mag er überhaupt nicht. Auf die Frage nach prominenten Idolen antwortet Wittenbrink überraschend: »Tim Lobinger ist es trotz seines deutschen Rekordes jedenfalls nicht. Der ist arrogant und macht immer eine Riesenshow, indem er die Latten kaputt bricht. So würde ich niemals sein wollen.«
Vom eigenen Talent überzeugt sein und selbstbewusst damit umgehen, aber nicht überheblich rüberkommen - damit kann sich Phil schon eher identifizieren. Diese solide Grundhaltung änderten auch nicht sieben Titel bei den Leichtathletik-Kreismeisterschaften vor einer Woche und die Tatsache, dass er seine persönliche Bestleistung in seiner Paradedisziplin mit dem Stab von 3,42 Meter aus dem Winter binnen neun Monaten am 28. August auf sagenhafte 4,04 Meter katapultierte! Mit dem Durchbrechen der in seiner Altersklasse M15 magischen Marke von vier Metern steht Phil einsam und allein an der Spitze der westfälischen Bestenlisten. Zum Vergleich: Sein ärgster Verfolger von der LG Lippe Süd bringt es gerade einmal auf verhältnismäßig kümmerliche 3,20 Meter.
Dabei hat Phil erst seit vier Jahren dem Fußball beim SV Spexard abgeschworen (»Das macht ja jeder«) und sein Herz nach einem spontanen Schnuppertraining an die Leichtathletik verloren. Die fehlende Erfahrung hat der durchtrainierte junge Mann allerdings durch seine erstaunliche Besessenheit wettgemacht.
»Ich liebe das Training einfach und halte es ohne kaum aus«, waren für Phil bereits drei Tage im Krankenbett der Uniklinik Münster eine wahre Tortour. Nach einem unkomplizierten Eingriff hatten die Ärzte dort seinen im vergangenen Sommer aufgetretenen Herzfehler beseitigt. So verschwendete er weniger Gedanken an seine Gesundheit als an die Rückkehr auf die Auffangmatte.
Dass Phil einen derartigen Übungseifer entwickelte, verdankt er auch Alexander Sczyrba. Wittenbrink bekennt sich als Fan des 34-jährigen LAG-Trainers: »Alex opfert sich unheimlich für uns auf, begleitet uns zu allen Auswärtsfahrten und ist dabei einfach unheimlich locker drauf. Er hat großen Anteil daran, dass ich im wahrsten Sinne zur Stange gehalten habe und ohne diesen Sport nicht mehr auskommen würde.«
Doch Respekt und Anerkennung bewahren Sczyrba nicht davor, auf der Angriffsliste seines auftrumpfenden Schützlings an oberster Stelle zu stehen. »Alex hält mit 4,41 Metern den Kreisrekord der A-Jugend. Den muss ich natürlich unbedingt knacken - zumal er in meinem Geburtsjahr 1991 aufgestellt wurde«, bläst Phil mit schon jetzt nur noch 37 Zentimetern Rückstand zwinkernd zur Jagd auf den Mentor. An der B-Jugend-Bestmarke von 4,10 Metern kratzt er ja ohnehin.
Gut möglich allerdings, dass Phil bereits an diesem Wochenende den nächsten Coup feiert. Bevor es am Sonntag bei den Westfalenmeisterschaften in Gladbeck nur um die Titelverteidigung gehen kann, steht am Samstag ein absolutes Highlight auf dem Plan. Der Deutschland-Cup in Wesel, wo Wittenbrink auf der Meldeliste an Position sieben geführt wird, gilt als inoffizielle Deutsche Meisterschaft. Dort bietet sich vor den Augen von Bundestrainer Herbert Czingon für den Nachwuchs ein echtes Forum, um den Sprung in höhere Leistungsgefilde zu schaffen. Dafür lässt Phil sogar die »fette Fete« seines Bruder Nils sausen, der am gleichen Tag seinen 18. Geburtstag feiert. Opfer, die der Spexarder Bursche allerdings wie selbstverständlich bringt, um vielleicht eines Tages mal im Dress der Elite von Bayer Leverkusen aufzulaufen. Ein erstrebenswertes Ziel. Denn: »Die Bayer-Leute finde ich wesentlich sympathischer als den Lobinger.«

Artikel vom 16.09.2006