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Das Wort zum Sonntag

Von Pfarrer Christian Schröder, Gehörlosenseelsorger


Der Prophet Samuel soll den neuen König salben, er weiß, einen der acht Söhne des Isai hat sich Gott als neuen König ausgesucht. Als er die Söhne sieht, fällt ihm Eliab ins Auge, groß und stark sieht er aus, gerade richtig für einen König, darum hält Samuel ihn für den zukünftigen Herrscher.
Doch Gottes Antwort im 1. Buch Sam 16,7 Aber der HERR sprach zu Samuel: Sieh nicht sein Aussehen an und seinen hohen Wuchs; ich habe ihn verworfen. Denn der HERR sieht nicht auf das, worauf ein Mensch sieht. Ein Mensch sieht, was vor Augen ist; Der HERR aber sieht das Herz an.
Unter den sieben Söhnen, die Samuel ansah war Gottes Kandidat nicht dabei. Überraschenderweise wählte Gott den kleinsten von ihnen, der gar nicht wie ein Feldherr oder Gebieter aussah. Es war der kleine David, der eher ein schöner Jüngling war als ein mächtiger Mann. Und Gottes Wahl war gut, den David war es, der den riesigen und starken Krieger Goliath besiegte.
Der Mensch sieht was vor Augen ist, aber Gott sieht das Herz an. Der erste Eindruck kann auch mal ganz falsch sein. Eine Wahrheit oder menschliche Erfahrung, die wir manchmal vergessen, und uns dann trügen lassen vom äußeren Eindruck.
Die Schwierigkeit besteht darin, daß wir es von außen einfach nicht beurteilen können. Ein Leben kann äußerlich furchtbar und schrecklich aussehen, aber von innen betrachtet, erscheint es ganz anders. Von innen betrachtet, ... Haben sie schon mal versucht, einen anderen Menschen von innen zu betrachten?
Wenn wir Hörenden dies zum Beispiel bei den Gehörlosen versuchen, werden wir überrascht. Wir finden dort keine stille, einsame Welt, sondern eine Gruppe von Menschen, mit eigener Sprache, eigener Kultur. Sie kennen keine Musik, das stimmt, manche würden gerne wissen wie sich Musik anhört, aber ohne Musik geht es auch. Kommunikation ist schwierig, eine alltägliche Erfahrung gehörloser Menschen, aber liegt es an ihnen, weil sie uns nicht hören können, oder liegt es vielleicht an uns, weil wir ihre Gebärdensprache nicht verstehen? Man könnte auch fragen: Sind sie behindert, oder werden sie behindert?
Wir lernen sie erst dann kennen, wenn wir versuchen Ihre Sicht der Dinge zu verstehen. Mit den Augen der anderen zu sehen, bringt manche Überraschung. Nicht den äußeren Schein, sondern das Herz gibt wirklich Auskunft über einen Menschen.
Gott tut es bei uns auch, er beurteilt uns nicht von außen, sondern er schaut in uns hinein. Es ist sehr tröstlich zu wissen, das Gott unser Herz sieht. Denn unser äußeres Verhalten weist längst nicht immer all das Gute auf, was unser Herz sich wünscht. Gott schaut in unser Herz, denn dort ist oft unsere Sehnsucht verborgen nach dem wahren Guten, und Heilen. Gott kennt unsere Fähigkeiten und Stärken, wir selber müssen sie erst mühselig in unserem Leben frei legen und entdecken. Gott weiß, was in uns steckt.
Darum kann er uns auch dann lieben, wenn es uns selber sehr schwer fällt, uns zu lieben und darum liebt er uns auch dort, wo wir mit uns selbst gar nicht mehr im Reinen sind.
Er liebt uns Hörende, die Gehörlosen, auch die Blinden, die RollstuhlfahrerInnen und die vielen anderen Gruppen. Er liebt uns, nicht aus Mitleid, sondern weil er uns kennt, weil er unser Herz ansieht und sich nicht vom äußeren Schein blenden läßt.
Versuchen Sie doch auch einmal, einen anderen Menschen »von innen« zu betrachten und mit seinen Augen zu sehen. Sie werden überrascht sein.

Artikel vom 16.09.2006