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Blockade stoppt Nazi-Aufmarsch

Gegen-Kundgebung mit 250 Teilnehmern - Erneut massive Polizeipräsenz

Von Elke Hänel und
Judith Frerick (Text und Fotos)
und Wolfgang Wotke (Fotos)
Gütersloh (WB). Es waren zwar weniger Gegendemonstranten als im März, aber ihr Protest zeigte eine größere Wirkung: Mit einer Straßenblockade erreichten am Samstag etwa 250 Menschen, dass der rechte Aufmarsch »gegen Sozialabbau und Rentenklau« nach nur einem Kilometer stecken blieb und schließlich von der Polizei gestoppt wurde.

15.20 Uhr auf dem Hauptbahnhof. Zahlreiche Polizeibeamte haben sich auf dem Gleis formiert, um die aus Bielefeld anreisenden Neonazis in Empfang zu nehmen und nach einer Kontrolle durch einen Seitenausgang auf die Kaiserstraße zu geleiten. Dort haben sich ebenfalls Beamte (im Einsatz sind Kräfte der Bundespolizei und Hundertschaften aus NRW) postiert, damit niemand die Sperrgitter durchbricht, mit denen vor dem Bahnhof eine etwa 50 Meter lange Sicherheitszone eingerichtet worden ist. Am anderen Ende stehen die Demonstrationsgegner und schwenken Plakate. Als auf der gegenüber liegenden Seite die zirka 80 Rechten auftauchen, provozieren sich die Gruppen gegenseitig mit Parolen und Gesten. Die Polizei räumt derweil noch die genehmigte Marschroute frei.
Gegen 16 Uhr schließlich marschieren die Neonazis nach einer kurzen Ansprache mit ein paar Spruchbändern los. Eskortiert von zahlreichen Polizisten erreichen sie den Stohlmannplatz, wo hinter Absperrgittern viele Bürger stehen. »Werdet endlich erwachsen!«, ruft eine Frau, während ein Mann den Rechten die rote Karte zeigt. Weiter geht es durch die Kirchstraße, vorbei an den »Stolpersteinen«, wo eine Rose niedergelegt ist und eine Kerze brennt. Die Neonazis kommentieren das Mahnmal höhnisch durchs Megaphon. Ein Bürger ruft ihnen zu: »Ihr seid nur ein Karnevalsverein!«. Daraufhin bleibt die Flüstertüte still.
Kurz hinter der Stadtbibliothek bleibt der Aufmarsch dann stecken. Denn ein paar hundert Meter weiter, an der Ecke Herzebrocker/Friedhofstraße, blockieren zirka 250 Gegendemonstranten die Fahrbahn. Die Polizei fordert die zumeist jungen Menschen dreimal auf, die Straße zu räumen - ohne Erfolg. Im Großen und Ganzen bleibt es friedlich, nur vereinzelt kommt es zu Beleidigungs- und Widerstandshandlungen gegen die Polizei. Um die Situation nicht eskalieren zu lassen und Gewalttätigkeiten zu verhindern, verfügt die Einsatzleitung schließlich den Stopp des rechten Aufzugs. Der Abschnittsleiter aus Mönchengladbach macht die Auflage, dass die ewig Gestrigen den Weg zurück zum Bahnhof antreten müssen. Demo-Anmelder Christian Menzer will dies nicht akzeptieren und beendet die Demonstration, um wenige Minuten später einen Eilantrag für eine erneute Versammlung zum Thema »Versammlungsfreiheit für alle« zu stellen. Hintergrund: Durch die vorherige Auflösung sind rechte Parolen zu unterlassen, sie werden geahndet. Die Polizei stimmt der Eilversammlung kurzerhand zu - dafür geht es auf dem kürzesten Weg zum Bahnhof, wo die »Braunen« unter den Zurufen der lautstarken Gegendemonstranten in den Zug verabschiedet werden. »Jetzt hat die Bürgermeisterin mehrere Demos am Hals«, kündigt Christian Menzer an.
Bevor die rechte Gruppierung - aufgrund der Blockaden bei der vorangegangenen Demonstration in Bielefeld mit erheblicher Verspätung - in Gütersloh eintraf, hatten mehrere Redner bei einer Kundgebung auf dem Zentralen Omnibusplatz unter dem Motto »Aufstehen gegen Rechts - Gütersloh für Toleranz und Zivilcourage« deutlich Stellung gegen Rechts bezogen. Vor etwa 200 Menschen riefen zum Beispiel Bürgermeisterin Maria Unger (»Dumpfe Stimmungsmache mit heuchlerischen Parolen - das hat noch kein einziges Problem gelöst«), Hans-Werner Heißmann-Gladow und Christian Salewski (IG Metall) sowie Nevzat Sahin (Vorsitzender Alevitischer Kulturverein) zu Engagement gegen Rechtsextremismus und zu Toleranz und Zivilcourage auf.OWL

Artikel vom 18.09.2006