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»Das sind ganz normale Menschen«

Westfälische Klinik Schloss Haldem möchte die Bevölkerung aufklären

Von Sandra Reuter
Haldem (WB). Eine forensische Klinik (forensisch: »der Justiz dienend«) wie Schloss Haldem - eine Einrichtung, in der suchtkranke Straftäter untergebracht sind - hat mit Vorurteilen zu kämpfen. »Viele wissen nicht, was dort vor sich geht und malen sich Szenarien aus von Patienten, die ausbrechen und die Umgebung bedrohen«, so ein Sprecher der Klinik.

»Menschen fürchten das, was sie nicht kennen.« Die Haldemer Klinik versucht daher, über die Arbeit hinter den Mauern zu informieren und ein Verbindungsglied zu schaffen zwischen Innen und Außen. »Innen ist die Welt der vermindert schuldfähigen Rechtsbrecher, die über eine Therapie zurück ins ÝnormaleÜ Leben finden wollen. Außen steht die misstrauische Gesellschaft, die die Gegenwart dieser Kranken oft nicht billigt« heißt es.
»Das sind eigentlich ganz normale Menschen, die wir hier behandeln«, betont Paul Bosse, Leiter der Sozialstation. »Die meisten Straftaten, die sie begangen haben, stehen ausnahmslos in Bezug zu ihrem Suchtproblem: Beschaffungsdiebstähle, Beziehungskonflikte oder das Fahren ohne Führerschein.« Viele Menschen glaubten, dass in Schloss Haldem »Verbrecher« wie Sexualstraftäter oder Mörder lebten, weiß die Klinik. »Diese Gruppe ist bei uns in der Minderzahl«, versichert Bosse.
Der Maßregelvollzug ist nicht nur für die sinnvolle Therapie der Suchtkranken zuständig, sondern auch für die Sicherheit der Bevölkerung verantwortlich. Diese sei ausreichend geschützt, wie Bosse erklärt: »Die Sicherheitsmaßnahmen wie Zäune, Gitter, Überwachungsmonitore oder Sicherheitsschleusen erfüllen absolut ihren Zweck.« Die Zahl der Entweichungen ist nach Angaben der Klinik in den vergangenen Jahren kontinuierlich zurückgegangen. Zwischenfälle seien die Ausnahme. Die bekannt gewordenen Ausbrüche seien zum größten Teil ganz einfach zu erklären: »Patienten, die nach einem Ausgang oder Urlaub einfach verspätet zurückkehren - den Bus kann schließlich jeder einmal verpassen«. Nur durch den Kontakt zu den Bürgern könne man Vorurteilen begegnen und diese aus der Welt schaffen, beschreibt Bosse. Brücken zwischen den Menschen seien Dinge wie das Kunstprojekt mit Stemweder Schulen (Die STEMWEDER ZEITUNG berichtete). Eine Brücke zwischen Klinik und Umfeld ist auch der 1986 ins Leben gerufene Beirat.
Hier sind Personen aus dem öffentlichen und gesellschaftlichen Umfeld der Klinik ehrenamtlich tätig. Vorsitzender ist Stemwedes Bürgermeister Ekkehardt Stauss. Aufgaben des Beirates sind Beratung, Unterstützung der Leitung und Hilfe bei der Wiedereingliederung von Patienten. Er will einen Beitrag zur Aufklärung der Öffentlichkeit über den Maßregelvollzug leisten, Akzeptanz und Verständnis für die Klinik fördern. »Der Beirat will zeigen, was los ist«, erklärt Bosse. »Er ist ein wichtiges Element der Klinik. Wir haben gute Erfahrungen gemacht.«
Die Patienten in Schloss Haldem sollen von ihrer Sucht befreit und Schritt für Schritt wieder in die Gesellschaft integriert werden. Lockerungen wie begleiteter Ausgang, Langzeiturlaub oder Entlassung auf Bewährung hängen ausschließlich von den Therapiefortschritten ab, die regelmäßig beurteilt werden. »Und eine erfolgreiche Therapie garantiert schließlich die größte Sicherheit für die Bevölkerung«, sagt Bosse. Die Klinik hat eine weitere gute Nachricht für die Bevölkerung: »Menschen, die aus dem Maßregelvollzug entlassen werden, sind erheblich seltener rückfällig als Straftäter aus ÝnormalemÜ Strafvollzug.«

Artikel vom 16.09.2006