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Wilder Weidegast äst mit drei Hausrindern

»Bambi« hat in der Senne natürliche Scheu verloren

Von Hubertus Hartmann
Paderborn (WV). Wildschweine im Hausgarten, ein Waschbär an der Mülltonne, Marder unter der Motorhaube, Füchse im Schlosspark und eine »Hirschkuh« inmitten von Rindviechern. Wildtiere rücken auch in Paderborn immer näher an die Menschen oder ihre Haus- und Nutztiere heran.

»Bambi«-Fans hätten ihre helle Freude an dem Anblick. Seit Wochen ist ein Stück Damwild Dauergast auf einer Kuhweide am Ortsrand von Sande. Offenbar handelt es sich um ein Schmaltier - so heißen in der Jägersprache die weiblichen einjährigen Damhirsche. Nahezu täglich steigt es durch den Stacheldrahtzaun, um friedlich und völlig unbekümmert inmitten von drei Rindern zu grasen, oder besser gesagt zu äsen. Dann ruhen die vier ungleichen Weidegenossen - zwei rotbunte Rinder, ein schwarzbuntes und das braune Wildtier mit seinen markanten weißen Punkten - wieder dösend im Gras. Den Bauern stört der Weidegast nicht. Er staunt lediglich über die Integrationsfähigkeit seiner angehenden Kühe.
Am Rand der Weide wurde auch schon ein mehrfach ein männliches Stück Damwild beobachtet. Doch der Schaufelträger konnte sich anscheinend noch nicht dazu durchringen, sich der Futtergemeinschaft anzuschließen.
Für Forstdirektor Wolf-Christian Delius ist das Verhalten zwar erstaunlich, aber keineswegs ungewöhnlich. »Das Wild zeigt inzwischen eine gewisse Adaption an den Menschen«, weiß der Leiter des Bundesforstamtes Senne. Vor allem Reh, Füchse und Wildschweine verlören zunehmend ihre natürliche Scheu. Während das Rotwild stets scheu bleibe.
Das Damwild bezeichnet Delius aus »äußerst klug«. Wenn die Äsung in den Wäldern knapp werde, verlasse es die Deckung gehe zur Nahrungssuche auf Wiesen und Felder.
Der 62-jährige Waidmann glaubt allerdings nicht, dass »Bambi« noch lange bei seinen neuen Freundinnen verweilen wird. Seit Monatsbeginn ist nämlich das Damwild zur Jagd frei gegeben. »Sobald die ersten Schüsse fallen, wird auch dieses Stück Deckung suchen«, ist Delius überzeugt. Allerspätestens zur Brunft im Oktober werde das weibliche Tier in den Sennewald zurück wechseln.
12 000 Hektar umfasst das Gebiet des Truppenübungsplatzes. Trotz der militärischen Aktivitäten gilt das Areal zwischen Augustdorf, Stukenbrock und Bad Lippspringe als Refugium für verschiedene Wildarten. Die Damwildpopulation habe sich in den letzten Jahren sehr stark entwickelt. Jäger schätzen die Gesamtzahl der Tiere auf etwa 2500. Trotz starker Bejagung und ständig gestiegener Abschusszahlen werde der Zuwachs offenbar immer noch nicht abgeschöpft, meint Delius. Vergangenes Jahr wurden im Bundesforstamt Senne 925 Stücke Damwild erlegt.

Artikel vom 15.09.2006