15.09.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Ausflug in »die schönste aller Welten«

Die russische Pianistin Nadja Naumova spielte in der Aula der Musikschule Enger-Spenge

Von Jörn Petring
Enger (EA). Selbst die sterile Atmosphäre der Musikschul-Aula Enger relativierteÊNadja Naumova, als sie am Mittwochabend erstmals zart über die Tasten des Konzertflügels streichelte. Im Verlauf des Abends war eine seltene Symbiose zwischen Tonwerkzeug und Künstlerin zu spüren, die den Besuchern schon beinahe das Atmen unangenehm werden ließ.

In der Tat herrschte bedächtige Stille, nur die Neonröhren-Beleuchtung der Schulaula wollten ihr leichtes Surren nicht gänzlich einstellen, als Naumova zum ersten Streich des Abends, der »Sonate op. 110« ansetze. Die vorletzte seiner insgesamt 32 Sentenzen in diesem Bereich, hatte für Beethoven im Kern nur noch philosophischen Charakter. Das Werk des Großmeisters, der zum Zeitpunkt der Komposition schon längst taub war, wird noch heute von zahlreichen Kritikern als »Klavier untauglich« abqualifiziert.
Nadja Naumova, die in St. Petersburg die Spezialmusikschule für hochbegabte Jugendliche absolvierte und danach am traditionsreichen Rimsky-Korsakov-Konservatorium ein Konzertstudium aufnahm, bewies das Gegenteil und unterstrich zugleich ihr Ausnahmetalent. Alle drei Sätze der Sonate, »Moderato cantabile«, »Allegro molto« und schließlich »Adagio ma non troppo«, belegte Naumova mit genau dem Zauber, der wohl von Beethoven beabsichtig war. Das Heraustellen einer kammermusikalischen Atmosphäre im ersten Satz gelang genau so brillant wie die rasante Fahrt durch die rhythmischen Teilstrecken des zweiten Satzes. Auch die Widerstände, die Ludwig van Beethoven im dritten Satz seines Werkes einfließen ließ, und die als solche den philosophischen Wert des Gesamtwerkes ausmachen, griff Nadja Naumova fachgemäß und dennoch mit Emotion auf.
ÊEben noch traurig schwebend, entwickelt Naumova schlagartig immer wieder eine derbe Handfestigkeit, mit der es ihr gelingt, übergreifende Spannungsbögen aufzubauen. In »die schönste aller Welten« entführte Naumova auch im zweiten Werk des Abends, des op.34 von Frédéric Chopin. Auch die anspruchsvolle Technik Chopins, der ab Opus 27 alle Stücke durchweg paarweise veröffentlichteÊund sie so als miteinander durch ihren antithetischen Charakter verbunden sah, griff Naumova angemessen auf. Die Sonate h-Moll von Franz Liszt, die das anspruchsvolle Programm nach der Pause füllte, bildete schließlich den Abschluss eines Konzertabends mit außergewöhnlicher Zusammenstellung und einer umso außergewöhnlicheren Künstlerin.
Auch in Enger unterstrich die Russin Nadja Naumova ihr außergewöhnliches Talent, was wohl besonders Christoph Ogawa-Müller, den Leiter der Musikschule Enger-Spenge, mit viel Stolz erfüllte. Er hat Naumovas Werdegang über viele Jahre lang begleitet und in gewissem Maße auch mit beeinflusst. Mit Beifall wurde in der Schulaula - völlig zu Recht - nicht gegeizt. Ê

Artikel vom 15.09.2006