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Botschafter der Vergesslichkeit

Fotoausstellung informiert über Alzheimer- und Demenz-Erkrankungen

Kreis Gütersloh (GG). Mit einer Fotoausstellung sollen bis zum 22. September im Kreishaus an Demenz erkrankte Menschen aus dem Kreis ernstzunehmende Botschafter der schleichenden Vergesslichkeit werden, denn Alzheimer und Demenz gehören immer häufiger zu unserem Leben.

Rund eine Million Menschen mit Demenz leben derzeit in Deutschland. Viele wissen aber mit dem Wort Demenz zunächst wenig anzufangen. Dennoch ist die Angst - vor allem bei jüngeren Menschen - groß, im Alter immer vergesslicher zu werden. Deswegen haben die Alzheimer-Gesellschaft Kreis Gütersloh und die BIGS (Bürgerinformation- und Selbsthilfekontaktstelle) mit der Abteilung Gesundheit der Kreisverwaltung zusammen mit der Fotografin Jutta Jelinski die Fotoausstellung »Ent-rückte Zeit - Leben mit Demenz« inszeniert, die nicht nur einfach alte Menschen im Alltag zeigt, sondern Demenz sichtbar machen soll. Die Bilder sollen zeigen, dass ein würdevolles Leben auch mit Demenz ein erstrebenswertes und erreichbares Ziel sein kann.
Die rund 70 kommentierten Schwarz-Weiß-Fotografien sind eine kleine Auswahl von insgesamt 1000 Bildern, die Jutta Jelinski aus Detmold von Mai bis Juni gemacht hat. Sie zeigen alte Menschen in verschiedenen Lebensumfeldern, beispielsweise zu Hause bei den täglichen Aktivitäten, allein, mit Partnern, in der eigenen Familie, zusammen mit den pflegenden Angehörigen, in einer Tagesstätte, in einer betreuten Hausgemeinschaft oder im Altenheim.
»Die Menschen, die ich fotografiert habe, waren bei den Gesprächen meist total offen. Ich habe mir viel Zeit dafür genommen, denn je länger ich bei ihnen war, um so mehr geriet ich bei den Menschen in Vergessenheit, aber um so authentischer wurden dann die Bilder. Aber das war auch mein größtes Anliegen: möglichst nah an dem zu sein, was für die alten Leute Realität ist. Bei den Bildern gibt es keine Ausschnitte, keine Verfremdungen und auch keine Farbe«, erklärte Jutta Jelinski, die viele Jahre als freie Journalistin in Köln gearbeitet hat.
»Ich habe es teilweise bei den Gesprächen gar nicht gemerkt, dass diese Menschen dement sein sollen. Aber wenn mir dann fünfmal in einer halben Stunden das Gleiche erzählt wurde, dann merkte ich, dass in den Erinnerungen etwas gelöscht war«, so Jutta Jelinski, die tief beeindruckt war von dem Zusammentreffen.
Mit der Fotoausstellung wollen die Alzheimer-Gesellschaft und der Kreis Gütersloh »den Betroffenen ein Gesicht geben«. Die Fotos erzählen Geschichten aus dem Alltag der Menschen, die mit Demenz leben. »Man darf nur nicht glauben, dass, wenn man Demenz hat, nun das Leben vorbei sei. Im Gegenteil, denn auch Demenzkranke können eine sehr hohe Lebensqualität haben, denn sie empfinden ja Gefühle, können sich zoffen, lachen sowie Liebe und Zuneigung empfangen«, betonte Heinz-Peter Kuhlmann von der im Mai 2005 gegründeten Alzheimer-Gesellschaft des Kreises Gütersloh.
Das bestätigte auch Jutta Jelinski: »Immer wenn ich mit den Menschen angefangen habe, über ihre ferne Vergangenheit zu reden, blühten sie richtig auf, was man dann auch auf den Fotos gesehen hat.« So berichtete die Fotografin beispielsweise von einem Mann, der ihr detailliert schilderte, wie und mit welchen Werkzeugen er vor vielen Jahren einen großen Schrank gebaut hat, aber nicht mehr wusste, wer seine sieben Söhne waren. »Demenzkrank zu sein, heißt nicht, traurig in der Ecke zu sitzen oder versteckt werden zu müssen, denn Demenzkranke gehören einfach in unsere Gemeinschaft«, betont Marlene Kuhlmann.

Artikel vom 15.09.2006