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Von Stephan Arend

Sport-
Aspekte

Märchen und knallharte Realität


DEs war einmal ein Verein, der die Nummer eins in der Region werden wollte. Der Durchmarsch von der untersten Spielklasse bis in die Bezirksliga sollte im modernen Fußballmärchen »Der Aufstieg des TuS Solbad« noch längst nicht das Ende sein. Die Verantwortlichen und nicht zuletzt der Geldgeber arbeiteten bereits am nächsten Kapitel der Erfolgsgeschichte mit der Überschrift »Landesliga wir kommen«. Das ist ziemlich genau ein Jahr her. Die Pleitenserie im Oktober 2005 passte so gar nicht in ihre Pläne und kostete Jörg Pudel seinen Job als Trainer. Nachfolger Martin Przondziono machte von Anfang an keinen Hehl aus seinen ehrgeizigen Zielen. Aussagen des Ex-Profis wie »Ich will immer gewinnen und nicht um Platz sechs spielen« deckten sich mit den Vorstellungen des Hauptsponsors David Fister (»Stagnation ist nichts für Sponsoren«). Nicht zuletzt dank dessen finanzieller Zuwendungen stand Przondziono spätestens nach den drei Nachverpflichtungen in der Winterpause ein hervorragend besetzter Kader zur Verfügung. Beste Voraussetzungen für die Fortsetzung des Fußballmärchens.
Der verpasste Aufstieg im Frühjahr 2006 allein beendete die Erfolgsgeschichte noch nicht. Auch im Märchen bläst dem Helden vor dem Happy-end Gegenwind ins Gesicht. Doch unglücklicherweise blicken seit einigen Monaten Sportwettenanbieter in eine ungewisse Zukunft. Sponsor »goalbetter« musste sein Engagement beim TuS Solbad entscheidend zurückfahren. Ein reduzierter Etat und als Folge eine durchschnittlich besetzte Bezirksliga-Mannschaft standen seitdem im Widerspruch zu den unverändert großen Zielen und hohen Ansprüchen des Trainers. Fast trotzig meinte Przondziono noch beim Saisonauftakt: »Der Aufstieg bleibt das Ziel« - und ignorierte einfach, dass dieses Kapitel längst beendet ist.
Fortan trainierte der Ex-Profi eine ganz normale Bezirksliga-Truppe. Es stank ihm schon längere Zeit, dass einige seiner Schützlinge nicht regelmäßig trainieren konnten oder wollten. Für Top-Stürmer André Graul war deshalb kein Platz mehr im Team. Auch andere Spieler versäumten Übungseinheiten oder ließen nach Meinung ihres Trainers den letzten Einsatz vermissen. Dennoch musste Przondziono an ihnen festhalten, weil es dem Kader nach einigen Abgängen, dem geplatzten Wechsel von Francesco Vega, ohne Graul und ohne den verletzten Patrick Heuer vor allem in der Breite an Klasse fehlt. Dieses Spiel war nicht mehr das Spiel eines ehemaligen Zweitliga-Profis, der trotz erschreckend schwacher Leistungen wie Sonntag gegen Kusenbaum nicht mit Druck und personellen Veränderungen reagieren konnte.
Ohne großes Geld und nun auch ohne Przondziono gehören Solbads ehrgeizige Ziele endgültig der Vergangenheit an. Nicht der Aufstieg zur Landesliga, sondern der Bezirksliga-Verbleib wird jetzt und wohl auch in Zukunft das Maß aller Dinge sein. Etabliert sich der Verein in dieser Spielklasse, haben die Verantwortlichen viel erreicht. Für Märchen ist in der knallharten Realität ohnehin nur ganz selten Platz.

Artikel vom 13.09.2006