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»Das Parfum«
als Vorbild

Michael Ohl stellt Roman vor

Rietberg (gpr). In einem bestimmten Alter, so sagt eine Volksweisheit, sollte ein Mann diverse Dinge getan haben: ein Kind gezeugt oder einen Baum gepflanzt haben, zum Beispiel. Oder ein Buch geschrieben haben. Was für andere ein Traum, bestenfalls aber ein sorgsam verstecktes Fragment bleibt, hat bei dem Rietberger Michael Ohl eine ISBN-Nummer bekommen, die sein Werk in der Wirklichkeit der Buchhandlungen einordnet.
»Schwimm nicht mit Jean-Baptiste« heißt der Roman, den der Sozialpädagoge im Dienste der Stadt Gütersloh jetzt veröffentlicht hat - rechtzeitig zum Start der Verfilmung des literarischen Welterfolgs »Das Parfum«. Der Zeitpunkt ist geschickt gewählt, denn Ohls Roman vernetzt die Gestalt des »Parfum«-Protagonisten Jean-Baptiste Grenouille mit der Analyse einer Freundschaft, aber auch der einer Obsession und einer enttäuschten Liebe.
Souverän führt der 40-jährige Autor seine Leser durch die Geschichte einer Jugend in den 80er Jahren, in der nicht nur die Altergenossen Ohls typische Muster erkennen werden. Literarisch sozialisiert durch Hesses »Glasperlenspiel», Endes »Momo« und Fromms »Kunst des Liebens« teilen der Ich-Erzähler und sein Freund Kai die Erfahrungen einer Generation: Träume vom Aussteigen statt Schüleraustausch, Fremdheiten zwischen Mann und Frau, Gedichte und Geheimnisse. Dabei gelingt Ohl ein überzeugendes Psychogramm dieses besten Freundes Kai, der ihm nah ist und doch unbekannt bleibt und der ihm später einmal die große Liebe ausspannen wird.
Kai ist ein Besessener, einer mit zwei Gesichtern, fasziniert von der Idee, dass Jean-Baptiste Grenouille, der Frauen tötet, um aus ihrem Duft das ultimative Parfum herzustellen, nicht einfach spurlos verschwunden sein kann. Die Suche nach der Geschichte hinter dem Roman wird zur Obsession, die sich wie ein blutroter Faden durch zwei Jahrzehnte Lebensgeschichte zieht und die sich schließlich fulminant zu einer überraschenden Schluss-Sequenz steigert.
Selbsterlebtes hat Ohl hier in eine starke klare Sprache gegossen und mit der Freiheit des Autors zu einem eigenständigen neuen Ganzen komponiert. Die Erzählung steigert ihr Tempo bis zur Atemlosigkeit auf den letzten Seiten, verliert jedoch nie den Spannungsbogen.
Michael Ohl hat diesen Roman in täglicher mehrstündiger Schreibtischarbeit zu Papier gebracht und damit eine Phase der Arbeitslosigkeit überbrückt, bevor er bei der Stadt Gütersloh eine neue Anstellung fand. Sein Erscheinen hat er nicht dem - zuweilen zufälligen - Wohlwollen etablierter Verlagslektoren überlassen, sondern er hat bei »Books on Demand« zunächst in die Herausgabe investiert.
»Schwimm nicht mit Jean-Baptiste«, Roman, Paperback, 152 Seiten, 10,90 Euro, ISBN 3-8334-51785 BoD.

Artikel vom 13.09.2006