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Grabsteine erinnern an
grausame Vergangenheit

Tag des offenen Denkmals - Jüdischer Friedhof weckt Interesse

Von Martin Vocks
Alt-Espelkamp (WB). Interessante Denkmäler und historisch bedeutende Stätten den Bürgern zugänglich zu machen und näher zu bringen, das ist der Zweck des »Tages des offenen Denkmals«.

Dieser Tag wird seit 1993 stets an einem Sonntag in der ersten Septemberhälfte angeboten und zeigt bundesweit etwa 7500 Denkmäler verschiedenster Art. Eines davon: Der jüdische Friedhof in Alt-Espelkamp. Etwa 40 Interessierte waren der Einladung von Ortsheimatpfleger Jürgen Heimsath gefolgt.
Dessen Vortrag zu Geschichte und kulturellem Hintergrund des Friedhofes entwickelte sich schon nach wenigen Minuten zu einer lebhaften Diskussion zwischen den Teilnehmern der Führung, bei der vor allem Rahdens Pfarrer Werner Milstein zahlreiche zusätzliche Informationen anzubringen wusste. So berichtete Milstein, dass der in den 1730-er Jahren erstmals urkundlich erwähnte Friedhof mit dem ältesten Grabstein im Altkreis Lübbecke eine wahrhaft antike Rarität beherbergt.
Bis ins Jahr 1938 nutzte die jüdische Gemeinde Rahdens diesen idyllisch gelegenen Friedhof für Begräbnisse; die Beerdigung der Rahdener Jüdin Ida Oppenheim blieb aber bis zum heutigen Tag die letzte. Jürgen Heimsath berichtete von den Erinnerungen seines Vaters an jene Zeit: »Auch wenn der Friedhof ein ganzes Stück außerhalb von Rahden gelegen ist, gab es damals sehr große Trauerzüge und Anteilnahme der jüdischen Bevölkerung.«
Während der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft und der Unterdrückung und Ermordung auch der Rahdener Juden geriet der Friedhof zunehmend in Vergessenheit. Das Gelände, das Diktatur und Krieg größtenteils unbeschadet überstand, wurde in den 1950 und -60er Jahren restauriert und in den 80-ern als Denkmal ausgewiesen, das Denkmalschutz genießt.
Insgesamt haben nach Schätzung von Ortsheimatpfleger Heimsath rund 100 jüdische Bürger aus Rahden und Umgebung in Altespelkamp ihre lezte Ruhe gefunden. Dennoch zählt der Friedhof nur etwa 75 Grabsteine. Viele Tote habe man in vergangenen Jahrhunderten ohne steinernes Grabmal begraben.
Auch die Frage nach dem Ritual, auf die Gräber jüdischer Verwandter einige kleine Steine zu legen, konnten die Teilnehmer des Rundganges gemeinsam beantworten: Vermutlich entspreche das Niederlegen der Steine auf dem Grab einem symbolischen Begräbnis.
Auf die wohl traurigste Zeit in der Geschichte des Judentums weist am Eingang des Friedhofs ein Kupferschild hin. In Erinnerung an die von den Nazis ermordeten Rahdener Juden Bernhard, Else, Günther und Rolf Frank, Julius, Clara, Werner, Helmut, Hannelore, Ruth, Johanna und Iwan Ginsberg sowie Dagobert und Sophie Haas, Johanna Horwitz und Rosa, Hans und Werner Vogel wurde es am 8. Juni 1997 im Beisein des damaligen Ministerpräsidenten Johannes Rau angebracht und erinnert seither an die schrecklichen Verbrechen jener Zeit. Eine Erinnerung, die es aufrechtzuerhalten gilt - auch dazu trägt der »Tag des offenen Denkmals« bei.

Artikel vom 12.09.2006