11.09.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Knapp der Katastrophe entgangen

Familien in Deutschland sorgten sich um Reisende - Schock sitzt tief


Schloß Holte-Stukenbrock (mcs). Sandra Bomholt packt den Rucksack für eine Erkundungstour durch die US-Hauptstadt Washington, als Terroristen am Morgen des 11. September 2001 über dem nahe gelegenen amerikanischen Verteidigungsministerium ein vollbesetztes Flugzeug zum Absturz bringen. Noch fünf Jahre nach dem Attentat bekommt die Studentin aus Schloß Holte-Stukenbrock eine Gänsehaut, wenn sie überlegt, wie knapp sie damals einer Katastrophe entging.
»Ich darf gar nicht daran denken, was passiert wäre, wenn die weitere entführte Passagiermaschine, die letztlich in Pennsylvania zu Boden ging, wie geplant, das Weiße Haus getroffen hätte«, sagt Sandra Bomholt. Denn ihre Unterkunft war nur wenige Kilometer vom Sitz des amerikanischen Präsidenten entfernt.
»Von dem Anschlag aufs Pentagon habe ich aus dem Fernsehen erfahren«, erinnert sich die 27-Jährige. Direkt habe sie anfangs nichts von den Auswirkungen der Terrorattacke mitbekommen. Erst später habe sie überall in der Stadt Feuerwehrsirenen und Hubschrauberbrummen gehört.
»Die fürchterlichen Fernsehbilder aus Washington und von den zeitgleichen Anschlägen auf das World Trade Center in New York haben mich ganz schön mitgenommen«, so Sandra Bomholt. Entsetzt habe sie sich gegen den eigentlich vorgesehenen Stadtbummel entschieden und stattdessen die Berichterstattung im Fernsehen verfolgt.
»Meine Reisebegleiterin stand noch stärker unter Schock als ich.« Deren größte Sorge sei es gewesen, der Familie in Deutschland Bescheid zu geben, dass ihnen kein Leid geschehen war. »Als auch ich meinem Vater eine SMS schickte, wusste er noch gar nicht, was auf der anderen Seite des Atlantiks passiert war.«
Einen vorsichtigen Schritt zurück ins alltägliche Leben wagten Sandra Bomholt und ihre Freundin bereits am Nachmittag des 11. September. »Wir beschlossen, einen kurzen Spaziergang von unserer Jugendherberge zum Hardrock-Café zu machen.« Die jungen Frauen hatten jedoch nicht bedacht, dass sie dabei das Weiße Haus passieren mussten. Dies hatte die Polizei aus Angst vor weiteren Anschlägen jedoch inzwischen großräumig abgeriegelt. »Als wir nach einem Umweg endlich unser Ziel erreichten, war auch das Hardrock-Café geschlossen«, so Sandra Bomholt. Überhaupt sei das öffentliche Leben nach den Anschlägen weitgehend zum Erliegen gekommen.
»Natürlich haben wir nach der Katastrophe auch darüber nachgedacht, unsere Reise vorzeitig abzubrechen«, sagt Sandra Bomholt. Nach Rücksprache mit Freunden in Detroit - die jungen Frauen waren auf dem Weg zu einer ehemaligen Mitstudentin, die einen Amerikaner geheiratet hatte - beschlossen sie aber, in Washington zu bleiben und dann planmäßig nach Michigan zu reisen. »Vier Tage war der US-Luftraum sowieso gesperrt.«
Die restliche Zeit in der amerikanischen Bundeshauptstadt gestaltete sich für die Reisenden aus Deutschland turbulent. »Unsere Jugendherberge war überfüllt. Oft schliefen mehrere Leute in einem Bett«, so Sandra Bomholt. Auch nicht alle Sehenswürdigkeiten seien frei zugänglich gewesen. »Im Touristenbüro bekamen wir aber eine detaillierte Liste mit erreichbaren Zielen.«
Dass sie die dritte und letzte Urlaubswoche schließlich doch abgesagt hätten, sei auf Druck aus Deutschland geschehen. »Die Mutter meiner Freundin wollte uns lieber heute als morgen sicher wieder zu Hause wissen.«

Artikel vom 11.09.2006