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Das Wort zum Sonntag

 Von Pfarrerin Sigrid Mettenbrink, Espelkamp

Pastorin Sigrid Mettenbrink

Letzte Woche war Blasheimer Markt. Für mich gehört die Fahrt mit dem Riesenrad zu einer der Hauptattraktionen. Schon von Weitem ist das hell erleuchtete Rad in der Dunkelheit zu sehen. In der Gondel Platz genommen, wird man dann sanft dem Boden enthoben. Spätestens ganz oben, am höchsten Punkt, bietet sich ein imposanter Blick über den gesamten Markt, die Felder und nächsten Ortschaften.
Ich bin gerne hier oben. Der Wind weht kräftiger. Die Menschen sind ganz klein. Autos und Häuser erscheinen im Spielzeugformat. Für einen Moment fängt die Seele an zu baumeln. So wie die Gondel. Leise geht es hin und her. Ich gewinne Abstand zu den Dingen da unten. Für einen Augenblick relativiert sich das Leben. Was eben noch wichtig war, rückt in ungewohnte Ferne. Für wenige Minuten bekommt das Leben eine wohltuende Auszeit.
Im Staunen schwingt auch Ehrfurcht. Ein Gefühl, das uns überkommt, wenn das Leben als unverfügbar und einmalig erkannt wird. Hier oben hat man die Dinge nicht mehr in Händen.
»Schauen Sie mal da oben«, sagt ein Herr in die Runde der Gondel, in der ich sitze. »Da ist doch eine Schraube locker«. Alle starren in Richtung Gondeldach. Nichts ist zu sehen. Wir sind reingefallen auf diesen alten Witz und der Herr lacht uns freundlich an.
Warum ist das Leben so selten wie eine Reise mit dem Riesenrad, voller Staunen, voller Ehrfurcht, Heiter- und Dankbarkeit. Es gibt Tage, da strampeln wir uns eher ab, wie ein Hamster in seinem Rad. Unermüdlich geht es rund. Aber ohne Höhenflüge, ohne das leiseste Gefühl von Freiheit. Eingesperrt in unseren hastigen Alltagstrott, rennen und eilen wir, ohne einen Funken von Erhabenheit.
Es gibt sicher verschiedene Gründe, warum das so ist. Meistens hat es etwas mit uns selbst zu tun. Auch damit, dass wir es so gewöhnt sind und es uns gar nicht anders vorstellen können.
Es ist gut, wenn wir fest mit beiden Beinen auf dem Boden stehen. Aber unser Leben braucht auch den Himmel.
Jesus selbst hat die Höhe gesucht, hat sich zurückgezogen auf einen Berg zum Beten und Kraft schöpfen. Und er hat uns eingeladen, ihm zu vertrauen. Herr, deine Güte reicht soweit der Himmel ist und deine Wahrheit, so weit die Wolken gehen, heißt es im Psalm 34. Die Güte Jesu kann das Leben ändern, weil sie uns wirklich trägt. Nicht knapp über der Erde, sondern wirklich himmelwärts. Im Glauben an Jesus kann sich darum manches in unserem Leben relativieren und zum Guten verändern.
Im Glauben bekommen wir Weitblick. Wir können über Dinge hinwegsehen, weil sie plötzlich klein und unwichtig werden. Wir bekommen Abstand, zu dem, was uns gefangen nimmt.
Und wir werden befreit zu einem Leben, das seinen Mut und seine Kraft ganz aus dem weiten Horizont Gottes empfängt.

Artikel vom 09.09.2006