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Mitarbeiter verzichten auf ihr halbes Weihnachtsgeld

Kirchengemeinde Halle entscheidet im November über Kürzungen - für 2007 fehlen 160 000 Euro

Von Klaudia Genuit-Thiessen
Halle (WB). Der Verzicht aufs Weihnachtsgeld wird jetzt nicht ausreichen, um das gewaltige Defizit auszugleichen: Die Evangelische Kirchengemeinde Halle steckt finanziell ganz tief in der Bredouille. Bei einer Klausurtagung am Samstag, 18. November, muss das Presbyterium entscheiden, an welcher Stelle der Rotstift angesetzt werden muss.

Die Summe von etwa 160 000 Euro hört sich eigentlich gar nicht so gewaltig an gemessen an den Größen, die in städtischen Haushalten jährlich bewegt werden. Doch für die Kirchengemeinde ist der finanzielle Einbruch »ein Hammer«, wie Finanz-Kirchmeister Heinz Kreft im WESTFALEN-BLATT-Gespräch bestätigte.
Bei der Diskussion soll es kein Tabu fürs Streichkonzert geben. Doch von einem oder mehreren der 18 kirchlichen Gebäude kann man sich nur einmal trennen. Kürzungen bei Stellen und Aufgaben sind vermutlich nachhaltiger. Denn die Personalkosten für die rund 60 Mitarbeiter (ohne Friedhof), davon 22 Vollzeitkräfte, machen den dicksten Posten aus: Heinz Kreft schätzt sie auf etwa 80 Prozent der Ausgaben.
Der Haushalt 2006 sieht noch 750 000 Euro an Ausgaben vor. Er konnte übrigens auch schon nur deshalb ausgeglichen werden, weil die Mitarbeiter der Kirchengemeinde auf die Hälfte ihrer Weihnachtszuwendung verzichtet haben. Für die Einsparung in Höhe von 18 000 Euro hat sich die Kirchengemeinde in einer Dienstvereinbarung verpflichtet, für zwölf Monate, also bis zum 30. Juni 2007, auf Kündigungen zu verzichten. Heinz Kreft: »Im nächsten Jahr werden wir neue Verhandlungen aufnehmen müssen«. Pastoren erhalten übrigens schon seit Jahren kein Weihnachtsgeld mehr.
Durch ihre Rücklage kann die Kirche einen drastischen Einschnitt nicht verhindern. Kreft: »Selbst wenn wir alles einsetzen, könnten wir höchstens ein bis zwei Jahre überstehen«.
Die Zahlen im Detail: Gab es 2005 noch 595 000 Euro Einnahmen durch Kirchensteuern, so kann für das Jahr 2010 jetzt nur noch mit 307 000 Euro gerechnet werden, 49 Prozent weniger. Doch allein schon die vier Kindergärten kosten jährlich 50 000 Euro. Für die Jugendarbeit bringt die Kirchengemeinde, die in Halle übrigens rund 11 700 Schäfchen zählt, 116 000 Euro auf, für die Kirchenmusik rund 110 000 Euro. Auf der Ausgabenseite schlagen auch die ständig steigenden Energiekosten zu Buche.
Wie mehrfach berichtet, sind nicht allein die Kirchenaustritte Ursache für niedrigere Steuereinnahmen, sondern die Gründe vielmehr bei Arbeitsmarkt und Bevölkerungsentwicklung zu suchen: Viele Steuerzahler treten in den Ruhestand. Dazu kommt bekanntlich noch das »Clearing«, der Finanzausgleich zwischen den evangelischen Kirchen Deutschlands. Der bedeutet für die Landeskirche für 2006 Nachzahlungen in Millionenhöhe, Verluste, die diese an ihre Gemeinden weiterreicht.
Sparen und streichen: Schon jetzt wird einer der beiden Arbeitsplätze in der Jugendarbeit ausschließlich aus Spenden finanziert. Unter anderem auch aus den Einnahmen im »Café Gegenüber«, dem Haus am Kirchplatz: Jedes Stück Kuchen, das dort verkauft wird, ist eine Spende der Bäckerin, die selbst in die engagierte Kirchengemeinde gehört.

Artikel vom 08.09.2006