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Auch mit Dessous-Spitzen zum Erfolg

Minister Laumann staunt: Integrationsfirma »Infirm« will am neuen Standort erweitern

Von Karl Pickhardt (Text und Foto)
Bad Lippspringe (WV). Vorsichtig lässt Landesarbeits- und Sozialminister Karl-Josef Laumann (49) die weiße Spitze durch seine Hände gleiten. »Daraus werden Dessous gemacht«, erklärt Katharina Foot (55) an ihrem Arbeitsplatz dem CDU-Politiker. Minister Laumann feierte gestern zusammen mit 230 Gästen den zehnten Geburtstag der Integrationsfirma »Infirm« in Bad Lippspringe.

Das Zuschneiden weißer Spitze für Dessous-Unterwäsche ist nicht das einzige Produkt, das 55 Mitarbeiter (darunter 70 Prozent Schwerbehinderte) in den Mieträumen in der Raiffeisenstraße herstellen. Die Frauen und Männer verpacken für Benteler Achsen, stellen Qualitätsmöbel her oder fertigen in der Elektrowerkstatt Komponenten für Kabelbäume. Infirm schreibt seit jetzt zehn Jahren eine offenbar gute Erfolgsgeschichte: Hauptgeschäftsführer Josef Tack von der Kreishandwerkerschaft Paderborn kündigte gestern zum Geburtstag einen Umzug zu einem neuen Standort in Bad Lippspringe an. Der heutige Firmenbereich im »Vorderflöß« erlaube keine Erweiterungen mehr.
Infirm ist eine Tochter der Kreishandwerker-Stiftung »Bildung und Handwerk«. Die arbeitstherapeutische Beschäftigungsfirma arbeitet als Zulieferin für renommierte Unternehmen wie Benteler, Weidmüller, Penn Elastik oder Berg Mantelprofilwerk. Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben nichts in einer Behindertenwerkstatt verloren, sind aber kaum in einem »normalen« Betrieb auf dem ersten Arbeitsmarkt vermittelbar. Die Löhne sind niedriger, so dass das Unternehmen wettbewerbsfähig ist. Zulieferer-Aufträge, die sonst von großen Unternehmen ins Ausland verlagert würden, bleiben so in Bad Lippspringe.
Mit einem Jahresumsatz von zuletzt 1,3 Millionen Euro schreibt die Integrationsfirma seit drei Jahren schwarze Zahlen. Der Maschinenpark wird aus eigenen Mitteln finanziert. Eine Sonderförderung der öffentlichen Hand erfolgt nicht: Infirm bekommt nach Angaben von Hauptgeschäftsführer Tack zum Beispiel für Schwerbehinderte lediglich solche Zuschüsse überwiegend vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe, die auch anderen Firmen zustünden. »Das hier ist kein soziales Projekt, denn wir stehen im Wettbewerb«, meinte Tack.
Minister Laumann bezeichnete in der Feierstunde die Bad Lippspringer Integrationsfirma, deren schier unermüdlicher Motor seit der ersten Stunde Geschäftsführerin Barbara Mikus ist, als viel versprechendes Beispiel dafür, wie sich Ökonomisches und Soziales zu Gunsten der Integration behinderter Menschen verbinde: »Ein Vorbild für andere in unserem Land«.
Vor dem Festakt bei Infirm hatte Gesundheitsminister Laumann hinter verschlossenen Türen mit Bürgermeister Willi Schmidt die prekäre Lage des hochverschuldeten Medizinischen Zentrums für Gesundheit (MZG) erörtert. Vor der Presse bescheinigte Laumann dem MZG mit seinen 750 Mitarbeitern als Kur- und Reha-Ort ein Alleinstellungsmerkmal in NRW im Bereich Atemwegserkrankungen. Bad Lippspringe müsse sich wie andere Kurorte auf einen veränderten Wettbewerb einstellen, weil die Patienten nicht mehr von ihren Kassen und Rentenversicherungsträgern zugewiesen würden, sondern selbst den Erholungsaufenthalt bestimmten. Der Landesminister setzt sich für eine bessere Vernetzung zwischen Akut-Krankenhäusern und Reha-Einrichtungen mit Anschlussheilbehandlung ein, wobei die Patienten dabei möglichst in Nordrhein-Westfalen ihre Reha erhalten sollten.

Artikel vom 08.09.2006