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Ach, wenn sie doch nur geschwiegen hätten . . .

»Pianobar LesBar«: tolle Musik zu schwacher Rezitation

Von Rainer Maler (Text und Foto)
Paderborn (WV). Unter dem Motto »Feel the Music« lockte der »Paderborner Zeltsommer« mit seiner »Pianobar LesBar« ins Zelt im PQ, sprich Paderquellgebiet, und man hoffte auf etwas Literarischen Salon mit Jazz und Evergreens.

Es war entgegen der Wettervorhersage kein lauer Sommerabend und der Kritiker nahm Platz im mit knapp 50 Gästen besetzten Festzelt. Er weiß um den Idealismus der Veranstalter, um die Arbeit, die in den Vorbereitungen und der Organisation des Zeltsommers liegen. Nur wer Kleinkunst wirklich lebt und liebt, halst sich soviel Arbeit auf. Dem gilt seine Anerkennung, aber auch die Kritik. Sorry Leute, aber sich hinzusetzen und ein paar Texte vorzulesen und das noch teils in brummiger Tonlage, ist wie verdünntes Bier zu Libori.
Das Programm sei bunt und vielfältig, so verspricht es der Prospekt. In der »Pianobar Lesbar« versuchten sich Lesungen und Musik ein Stelldichein zu geben. Martin Richter, Karstan Strack und Stani wollten diesen Abend mit der Lesung zu einem feinsinnigen Kulturgenuss werden lassen, leider blieb es beim Versuch.
Stani und Co. griffen zum Bücherstapel und gaben Klassiker von Brecht, Morgenstern, Ringelnatz, Kästner sowie eigene Gedichte und Texte zum Besten. Etwas müde wirkte alles, ein wenig maulfaul und kraftlos wurde mancher Text vorgetragen, mit vielen Stockfehlern - zum Schrecken jedes Deutschlehrers: setzen, mangelhaft. Und auch die Sangeskünste von Stani sind zumindest gewöhnungsbedürftig.
Schmalspurerkenntnisse aus dem Alltag mit semiphilosophischen Interpretationen sind weder Lyrik noch überzeugende Prosa. Der philosophische Komiker Karl Valentin hatte schon recht mit seinem Aphorismus »Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit«. Karstan Strack rettete mit seiner nuancierenden Stimme ein wenig das Erlesene, aber etwas mehr Feintuning gerade bei den eigenen Texten der Vorleser wäre wünschenswert gewesen.
Doch zum Glück war da ja noch die Musik der »Pianobar-Band« mit dem Brüderpaar Ogrodnik an Contrabass und Piano, dem Drummer Christoph Wald und dem in der Tat charismatischen Sänger Michael Cramer, wie es im Programmheft hieß. Sie retteten den Abend, allein ihre Musik lohnte den Besuch allemal. Mit wunder-bar verschmitzt jazzigen Interpretationen von Evergreens und Gassenhauern der Popgeschichte zündeten sie Begeisterung, schnell waren im Takt mitwippende Füße zu sehen. Das »Girl von Ipanema« wurde lebendig in der beseelten Stimme von Cramer, der eine faszinierende Interpretation von Stings poetischem Song »Roxanne« gab.
Und auch Stani bekam noch kurz vor Ende der Vorstellung die Kurve mit seiner philosophischen Betrachtung der fünften Jahreszeit Libori und lüftete das Geheimnis des Reh-Zitators, wie es groß auf seinem T-Shirt prangte. Mit Gedichten rund um«s Reh von Ringelnatz und Stani gings in die Pader-borner Nacht.

Artikel vom 07.09.2006