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Volk aufs Maul geschaut

Harald Meves: Kabarettabend mit Löhner Wurzeln

Von Silke Schade (Text und Foto)
Kreis Herford (LZ). Der Ostwestfale an sich: stur, wortkarg, verschlossen. Tanzen die Rheinländer auf den Tischen, bringt er - verschwiegen, wie er ist - seine Begeisterung in nur einem einzigen Satz treffgenau auf den Punkt: »Da kannste nix von sagen.«

Angesichts dessen grenzte es schon fast an ein Wunder, was sich am Dienstagabend im Dorfgemeinschaftsraum in Herford-Stedefreund abspielte. 70 Zuschauer johlten vor Vergnügen, als der Löhner Hobby-Kabarettist Harald Meves die Eigenarten des bodenständigen Völkchens zwischen Rhein und Weser vorstellte.
Fünf Jahrzehnte lang hatte er dafür recherchiert. Direkt an der Basis, erst in Löhne, dann in Vlotho. Daraus entstanden war ein eigenes Bühnenprogramm, das bei der Löhner Varieté-Nacht vor zwei Jahren eine umjubelte Premiere feierte. In Stedefreund gastierte der 52-Jährige nun auf Einladung des Kindergartens, und das nicht zum ersten Mal. Bei Elternabenden war er schon in seiner beruflichen Funktion als Referent für Erziehungsfragen im Einsatz gewesen. »Wir fanden seine Vorträge so unterhaltsam, dass wir ihn unbedingt auch einmal als Kabarettisten erleben wollten«, erzählte Leiterin Elisabeth Haas.
Und auch diesmal sollten die Lacher nicht zu kurz kommen. Schließlich hatte der Kabarettist seinen Mitbürgern ganz genau aufs Maul geschaut. Mit Ironie und Wortwitz entführte er sein Publikum in den Sprachraum, in dem Pfeiler Pömpel und Pins Pinöckel heißen, in dem das »g« schon mal dem »ch«» (»Ich muss schnell wech!«), der Dativ dem Akkusativ weichen muss (»Tut mich ja leid!«) und in dem vor allem die Devise gilt: lieber ein Wort zu wenig als eines zu viel.
»Von Ostwestfalen lernen heißt schweigen lernen«, behauptete Harald Meves und lieferte prompt ein Beispiel. Drei Sätze genügten dem Mundfaulen hierzulande, jede Unterhaltung ohne eigenen Beitrag zu überstehen: ein zustimmendes »Jau, das sach auch man!«, ein anzweifelndes »Ne, das kannste so aber nicht sagen« und nötigenfalls ein »Och, das ist eine lange Geschichte« - als finaler Rettungssatz, der das Gespräch garantiert im Keim erstickt.
Doch selbst im Volk der Verschwiegenen konnte der Kabarettist Vielredner entlarven. Das seien jene, die auf die Frage »Wie geht's?« nicht kurz und knapp antworten, wie es sich für den Ostwestfalen gehört, mit »Muss«. Schon zwei zusätzliche Buchstaben reichen laut Meves für den Titel zum Plappermaul: »Muss ja.«

Artikel vom 07.09.2006