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Ein redundanter Rocker im Elektro-Dschungel

Der Gütersloher Bernhard Wöstheinrich hat mit »Collider« seine erste Solo-CD veröffentlicht

Von Alexander Gionis
Gütersloh (WB). Er scheint alles mögliche zu sein, nur nicht redundant. Und dennoch wandelt Bernhard Wöstheinrich, der Kopf der Gütersloher Gruppe »Centrozoon« seit Neuestem unter dem Pseudonym »The Redundant Rocker« auf Solopfaden.

»Collider« heißt seine erste CD, die musikalisch kaum etwas mit den atmosphärischen, oft improvisierten Ambient-Klängen von »Centrozoon« gemeinsam zu haben scheint. »Songs ohne Gesang« nennt der Gütersloher Grafiker die elf Tracks auf seiner CD, bei denen alles, was in den vergangenen 30 Jahren in der elektronischen Musik für Furore gesorgt hat, dem Titel der CD gemäß miteinander kollidiert.
»Ich hatte diese ÝSongsÜ schon länger in der Schublade und wollte sie jetzt endlich mal aufnehmen«, sagt der 38-Jährige im Gespräch mit dem WESTFALEN-BLATT. Diese Schublade muss ziemlich geräumig sein, denn der Reichtum an kleinen, feinen Ideen, die in den 56 Minuten Spielzeit stecken, ist immens.
Man hört - natürlich - Rock, Indie Pop, Big Beat, Techno, Chillout, Ambient, Dub, Funk und vieles mehr. Und wer sich Mühe gibt, erkennt respektvolle und ironische Anspielungen auf nahezu alle ehemaligen und gegenwärtigen Stars der Szene von Ambient-Vater Brian Eno und Kraftwerk bis hin zu den Chemical Brothers, Fat Boy Slim oder Howie B.
Klingt wild, aber das Erstaunliche an Wöstheinrichs CD ist gerade, dass sich der irrwitzige Stilmix zu einem höchst organischen - und sehr unterhaltsamen - Ganzen fügt, das ebenso kommerziell wie experimentell klingt und voller perfekt gesetzter Gimmicks ist. Mal gehen die Stücke sofort ins Ohr, wie »Jericho« oder »We're Not Afraid«, mal merkt man erst beim zweiten oder dritten Hören, wie clever Tracks wie »The Meryl Street« aufgebaut sind. Irgendwie gelingt es der Musik, ständig zwischen Soundtrack und Dancefloor zu pendeln, als sei dies ganz selbstverständlich.
Und vielleicht schafft der »redundante Rocker« ja sogar den kommerziellen Durchbruch: Die Kritiken zu »Collider« sind durchweg positiv, und Airplay im Radio gab's auch schon - zumindest im öffentlich-rechtlichen. »Bei privaten Sendern hat man mit annähernd experimentellen Klängen keine Chance«, weiß Bernhard Wöstheinrich. »Da wird nur Musik gespielt, die schon jedem bekannt ist oder zumindest jedem gleich bekannt vorkommt.«
Trotz des Solo-Ausflugs wird Bernhard Wöstheinrich weiterhin zusammen mit Markus Reuter -Êmit dem Wöstheinrich in Gütersloh auch eine Medien-Agentur betreibt - als »Centrozoon« Musik machen, und zwar auf ihrem eigenen Plattenlabel »Unsung Records«, auf dem auch »Collider« erschienen ist.
»Ich kann als Musiker schlecht die Finger still halten«, sagt der Grafiker, der auch gerne mit Künstlern aus anderen Bereichen arbeitet: Im September wird er bei der »Blauen Nacht« in Hagen zusammen mit einem Freiburger Experimental-Filmer auftreten, und auf der »Collider«-CD gibt es als kleines Bonbon für den PC zu dem Track »We're Not Afraid« ein schickes Comic-Video des in Lippstadt geborenen Filmemachers Bernd Thiele.

Artikel vom 07.09.2006