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Musikalische Briefe
einer Freundschaft

Gelungene Lesung im Rahmen der Henze-Reihe

Gütersloh (joz). Die Pianistin Cornelia Mühlenhoff und die Sprecherin Marit Beyer vermittelten durch ihre musikalische Lesung am Sonntagvormittag in der Stadtbibliothek einen bewegenden Einblick in die künstlerische Freundschaft sowie die unerfüllte Liebesgeschichte der Schriftstellerin Ingeborg Bachmann mit dem Komponisten Hans Werner Henze.

Lebte Ingeborg Bachmann heute noch, hätte sie in diesem Jahr wie ihr langjähriger Freund Hans Werner Henze ihren 80. Geburtstag gefeiert. Gerade einmal eine Woche vor ihm hatte sie am 25. Juni 1926 das Licht der Welt im österreichischen Klagenfurt erblickt. Sie starb am 17. Oktober 1973 in jener Stadt, Rom, wo der in Gütersloh geborene Henze bis heute lebt.
So nah wie ihre Geburtstage, so war auch ihre in einem Konvolut von Briefen von 1952 bis 1965 sich dokumentierende emotional menschliche Beziehung sowie ihr intensiver künstlerischer Austausch von großer Nähe und Verbundenheit geprägt. Sehr passend und hochwertig inszeniert war denn auch die von der aus Rostock stammenden Beyer und der in Tübingen geborenen Mühlenhoff dargebotene, mit »Briefe einer Freundschaft« überschriebene musikalische Lesung zu der Gütersloher Veranstaltungsreihe anlässlich des 80. Geburtstags des vielleicht sogar bedeutendsten Komponisten der Gegenwart.
Zu Beginn wurde das von Beyer penetrierende Schreibmaschinengeräusch durch Mühlenhoffs Einsatz mit Henzes »6 Allegramente« aus »Six Absences« simultan begleitet. Daraufhin las die Sprecherin noch zur Musik dieses Stückes schon einige Briefanfänge. »Liebste Ingeborg, nie habe ich einen teureren und schöneren menschlichen Kontakt gehabt als den zu Dir«, schrieb Henze in einem Brief an Bachmann. Sie notierte: »Wenn ich nicht wüsste, dass ich Dir Angst mache, würde ich Dir noch einmal sagen, dass ich Dich liebe.« Bachmann drückte am 31. Dezember 1955 gegenüber dem außerordentlich positiv nach vorne schauenden Henze ihre Haltung der Demut und tiefster Bescheidenheit gegenüber ihren eigenen Gedichten aus und lobte des großen Freundes Werke in den Himmel. Ihr »lass uns gut zueinander bleiben« mutet schon wie eine Vorahnung an, dass ihre von Henzes Seite im November 1955 sogar mit Heiratsambitionen umworbene Liebe einmal unglücklich enden könnte. Tragischerweise kam es hierzu: Bachmanns Mitteilung vom 4. Januar 1963 von ihrem Selbstmordversuch und ihr »tödlich verletzt« sein wegen ihrer Trennung als »größter Niederlage« ihres Lebens wurde jedoch von Henze mit unbeugsam positiven Worten, »den Triumph des Erschaffens gegen das Leid« zu stellen, beantwortet.
Mit das Programm ergänzenden Bachmann-Gedichten berührten Beyer sowie Mühlenhoff mit Henzes »4 Moderato cantabile« die Herzen. Das Publikum honorierte die Güte der in weißer Kleidung aufgetretenen Künstlerinnen mit nachhaltigem Applaus.

Artikel vom 05.09.2006