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Lied der Lieder
klang makellos

Abschluss des »Dalheimer Sommers«

Von Wolfgang Günther
Lichtenau (WV). Die »Dalheimer Tage Alter Musik« fanden am Samstag ihren Abschluss in einem Konzert mit dem »Ensemble Officium« - eine aus zwölf Mitgliedern bestehende Solistenvereinigung unter der Leitung von Wilfried Rombach. Dieses Konzert war zugleich die Abschlussveranstaltung des »Dalheimer Sommers«.

Im ersten Teil des Abends erklangen Hoheliedmotteten der Renaissance aus dem »Canticum Canticorum«, dem vierten Mottetenbuch aus dem Jahr 1584 von Palestrina. In diesem »Lied der Lieder« wird die Liebe von Mann und Frau in einer Folge von Gedichten in allegorischer Sprache besungen.
Nicht nur die verschlüsselte Sprache, auch die besondere Verklanglichung in den für unsere Ohren heute eher ungewohnten polyphonen Strukturen des damals üblichen Imitationsprinzips stellt den Hörer vor einige Herausforderungen. Er braucht einige Zeit des Einhörens und damit auch des Verstehens. Erleichtert wurde dies durch das Vermeiden stilistischer Vielfalt. Die Aufmerksamkeit fokussierte sich auf den Renaissancestil der »römischen Schule«, dem sogenannten »Palestrina-Stil«. So war die Möglichkeit gegeben, in diese spezielle Klangwelt tiefer einzudringen.
Diese lyrisch-epische Tonsprache der »römischen Schule« klingt aus heutiger Sicht stark rückwärts gewandt und ausgesprochen konservativ. Damals hingegen war diese Musik durchaus zeitgemäß. Durch eine wenig ausgeprägte Fantasiekraft und die kaum erkennbaren Affekte liegt in ihr jedoch eine großartige Konzentration und vollkommene Ausgewogenheit in der Harmonie und im rhythmischen Fluss. Weitere Eigenschaften sind die gleichmäßige Verteilung von melismatischer und syllabischer Vortragsart und die komplementäre Rhythmik.
Diese Eigenschaften der damaligen Kompositionen sind letztlich das Ebenbild einer hochgebildeten, aristrokatischen, konservativen Gesellschaft. Das »Ensemble Officium« kam diesem geistigen wie auch praktisch-künstlerischen Anspruch ohne jeden Abstrich nach. In absoluter stimmlicher wie dynamisch-ausdrucksmäßiger Homogenität gelang dem Ensemble eine stilistisch makellose und überzeuende Realisierung.
Im zweiten Teil des Abends erklang das Ordinarium einer Messe, die im Parodieverfahren von Palestrina und seinen Schülern oder Nachfolgern komponiert worden ist. In der Ausführung wurden neben den perfekt angelegten mehrstimmigen Sätzen die schwierigen, etwas fragilen einstimmigen Teile in lupenreiner Intonation dargeboten.
Der Raum mit seiner einmaligen Akustik gab dem Konzert eine erhebende und meditative Stimmung. Mit langem und begeisterten Beifall dankten die Zuhörer für den erlebnisreichen Abend. Das »Ensemble Officium« schenkte noch eine Zugabe: eine Vertonung des Textes »Herr, bleibe bei uns, denn es will Abend werden.«
Der nächste »Dalheimer Sommer« steht vom 28. Juli bis zum 1. September 2007 unter dem Motto »Festliches Barock«.

Artikel vom 05.09.2006