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Einblicke in
Henzes erste Sinfonie

Konzert mit RIAS-Orchester

Von Johannes Zoller
Gütersloh (WB). Das RIAS-Jugendorchester, der Musikwissenschaftler Dr. Markus Fein und Dirigent André de Ridder entführten das Publikum am Samstagabend in die Welt des Hans Werner Henze. Beim Werkstatt-Konzert in der Stadthalle gewährten sie den Zuhörern mit Klangbeispielen, moderierenden Fragen und erklärenden Antworten tiefere Einblicke in die musikalischen Hintergründigkeiten der ersten Sinfonie des Gütersloher Komponisten.

Dem interessierten Publikum konnte zu diesem Anlass lediglich oben genanntes Werk aus dem Programm des ersten Meisterkonzertes - einen Bericht hierzu finden Sie in unserer morgigen Ausgabe - an Stelle von Henzes Serenade für 16 Spieler »LĂ•heure bleu« (Die blaue Stunde) vermittelt werden. Dies tat jedoch dem Sinngehalt der Vorveranstaltung keinen Abbruch. Der trotz seiner Fußverletzung beide Konzerte - sie standen im Rahmen einer Veranstaltungsreihe anlässlich des 80. Geburtstages von Hans Werner Henze - dirigierende André de Ridder berichtete von seiner Begegnung im Jahre 2003 in Salzburg mit dem »bedeutenden oder gar bedeutendsten deutschen Komponisten« der Gegenwart.
Dass Henze keinen von der so genannten Avantgarde aufgestellten »dogmatischen Normen und Dogmen« gefolgt und »seinen eigenen Weg gegangen« sei, wertete de Ridder hochachtungsvoll. Sah der Bewunderer Henze »klassische Schönheitsideale« als »nicht mehr erreichbar, aber doch in großer Ferne sichtbar«, konzipierte er seine erste Sinfonie (1947) sowie deren revidierte Neufassung (1991) in der klassischen Form eines schnellen, eines langsamen und wieder eines schnellen Satzes. Das Notturno Lento mit seinen sanften Klangschattierungen bildete nicht nur formell sondern auch musikalisch ein lyrisch melodisches Zentrum. Dreimalig gedämpfte Bläsersignale ertönten wie aus einem Jenseits zu Beginn, im Mittelteil und zum Ausklang des Notturno. Das große Orchester trat wiederholt in den Hintergrund und sehr kostbare Klangmomente der mit goldenen Flötentönen im Dialog stehenden Bratsche wurden gerade durch das ganz leise werden selbstloser Violinen noch hervorgehoben. Der Gegensatz zu dieser immer auf dissonantem und zwölftonalem Grundklang basierender Findung von ungewohnten Harmonien und Zusammenhalt wurde im anfänglichen »Allegretto, con grazia« schon angelegt. Jedoch auch in den gefährlich klaffenden Brechungen aller Instrumente mit verstörend unterbrechenden Pizzicati der Streicher im dritten Satz »Allegro con moto« - der gesamte Orchesterapparat mündete nach noch magisch verhaltenem Beginn in rasendes Dröhnen - war es doch wieder die leise Harfe, deren Thema sich letztendlich durchsetzte. Nach und nach übernahmen die Bratsche und später wie verklärend die Violinen inmitten von konterkarierenden, schneidend scharfen Unterbrechungen der Bläser die allhier sich kreierenden neuen Klänge. Inmitten der Problematik der Spaltung ist Henze nicht zuletzt auch durch die inmitten der lauten Destruktion ein Zentrum bildenden, gleichmäßigen Vierteltöne der Harfe eine Klangfusion gelungen.

Artikel vom 04.09.2006