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Der Clayderman, der
aus Schwaben kommt

Michael Krebs: »Vom Wunderkind zum Spätentwickler«

Hiddenhausen (mv). Noch bevor sich der Vorhang hob, hörte man ihn aus einer dunklen Ecke schwäbeln: »Michael Krebs? Ja, dasch bin ich!« Was die Zuschauer in der Kleinkunstbühne der Olof-Palme-Gesamtschule in Lippinghausen am Freitag darauf erwartete, war ein tiefer Einblick in Michael Krebs' Seelenleben.

Er ließ das Publikum an den wichtigsten Stationen seines Lebens teilhaben. So zum Beispiel an Melanie, der ersten großen Liebe, die ihn verstieß, obwohl er nur für sie zum Clayderman-Topinterpreten seines schwäbischen Heimatdorfes wurde. Den Beweis, dass sich dessen »Ballade pour Adeline« dennoch eignet, um Frauen zu beeindrucken, trat der Gewinner des »Hamburger Comedypokals« sofort an. Die Angebetete war eine Zuschauerin, die sich auf dem Klavier räkeln durfte. Während sich der Kabarettist die Seele aus dem Leib spielte und sich das Hemd aufriss, entstand spontan seine »Ballade pour Regine«. Die erfolgreiche Neuinterpretation von Claydermans einzigem Welthit warf die Frage auf, was der Richard wohl bei einem abendfüllenden Programm spielen würde. Auch darauf hatte der Wahlhamburger eine Antwort. Geschickt verband er die Leitmelodie der »Ballade« mit berühmten Songs. Von Sinatras »New York« bis hin zu Michael Jacksons »Heal the World«, »verclaydermante« er so manches Meisterwerk. Mit Liedern, die vor Wortwitz strotzten, und dem feinen Blick für die kleinen Niederlagen des Alltags begeisterte Krebs sein Publikum. Scheinbar beiläufig bekam es so Antworten auf Fragen wie »Warum sind Saxophonisten begehrter als Pianisten?» oder »Ich bin hässlich und heiße Hans, was nun?« auf dem Silbertablett serviert.
Aus der Pause kam der sympathische Kabarettist mit dem Dauerlächeln gar mit einem spontan getexteten Lied über Lippinghausen, Löhne und Schweicheln-Bermbeck. Sein Heimatdorf Neukupfer sei für Lippinghausen nämlich, was Lippinghausen für Bielefeld sei, scherzte Krebs. Der Titel seines Programms »Vom Wunderkind zum Spätentwickler« lässt erahnen, dass sich der einst aus der schwäbischen Provinz nach Hamburg aufgebrochene Junge erst spät zum deutschlandweit beliebten Kabarettisten entwickelt hat. Am Freitag konnte man den Eindruck gewinnen, dass man von Käsespätzle und schwäbischem Blues noch öfter hören wird.

Artikel vom 04.09.2006