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Schwere Zeiten überstanden

Anna Rudorff feiert Samstag ihren 95. Geburtstag

Gütersloh (nh). »André Rieu ist mein absoluter Lieblingsstar!«. Die 95-Jährige verpasst keines seiner Konzerte im Fernsehen, und zu ihrem 95. Geburtstag an diesem Samstag ermöglichte ihr der älteste Sohn sogar einen Konzertbesuch im Gerry-Weber-Stadion. Seit ihrer Geburt 1911 führt Anna Rudorff ein Leben, das nicht immer leicht gewesen ist.

Zwei Weltkriege und die schwere Nachkriegszeit verlangten einige Opfer. Ihre Kindheit verbrachte Anna Rudorff in einem Dorf in Ostpreußen. Sie wohnte in einem für damalige Verhältnisse sehr modernen Reihenhaus. »Die Nachbarn kamen und bestaunten unsere Lampen. Wir hatten schon elektrisches Licht, das gab es noch längst nicht überall«, erinnert sich Anna Rudorff. Dort wuchs sie als jüngstes von acht Kindern in einer Familie auf, die verpflichtet war, in einem nahe gelegenen Gestüt zu arbeiten. Diese sehr schweren Arbeitsbedingungen waren es, die die damals 18-Jährige dazu bewogen, dem Ruf von vier ihrer Geschwister zu folgen und nach Bielefeld zu kommen.
Allein reiste sie im Zug gen Westen. Kurz darauf, an ihrem 19. Geburtstag, lernte sie beim Tanzen ihren späteren Ehemann Helmut kennen, den sie 1933 heiratete. 1940 unterbrach der Krieg das junge Glück, und Helmut Rudorff wurde eingezogen, sodass Anna Rudorff mit ihren Kindern allein dafür kämpfen musste, die schwierigen Zeiten zu überstehen. Durch die staatlich organisierte »Kinder-Land-Verschickung« verschlug es die Familie über Österreich für fünf Jahre nach Bayern. Dort erlitt die junge Mutter ein Nervenleiden und verbrachte anderthalb Jahre im Krankenhaus.
Die drei Söhne waren zu dieser Zeit im Waisenhaus untergebracht, während die Tochter bei einer Bekannten wohnte. Als Helmut Rudorff zwei Jahre nach Kriegsende aus der Kriegsgefangenschaft in die Heimat zurückkehrte, reiste auch Anna Rudorff mit ihren vier Kindern zurück nach Bielefeld. Dort fand sich die Familie mit den schrecklichen Auswirkungen des Krieges konfrontiert. Ihr Wohnhaus war von Bomben völlig zerstört. Weil Helmut Rudorff einen Arm verloren hatte, konnte er seinem Beruf als Bäcker nicht weiter nachgehen.
»Ich habe immer nur für meine Kinder gesorgt und den Haushalt gemacht, es war eine sehr schwere Zeit«, beschreibt die Jubilarin die Nachkriegsjahre in Bielefeld. Nach dem Tod ihres Mannes 1956 lebte Anna Rudorff allein. Als das Alleinleben dann allzu beschwerlich wurde, holte sie ihr ältester Sohn zu sich nach Gütersloh. Auch wenn die Mobilität der 95-Jährigen eingeschränkt ist, so macht es ihr doch noch immer große Freude, gemeinsam mit ihrem Sohn in den Park zu fahren oder kulturelle Veranstaltungen zu besuchen. Wenn dies dann noch ein Konzert ihres Lieblings André Rieu ist, fühlt sie sich wieder ganz jung.

Artikel vom 02.09.2006