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Von Stephan Rechlin

Gütersloher
Wochenschauer

Ein Euro in den Hut


Gestern auf der Berliner Straße, kurz vor dem Berliner Platz. Ein Schüler legt einem Obdachlosen einen Euro in dessen umgedrehten Hut. Der Obdachlose dankt, der Schüler geht weiter.
Auf die Großzügigkeit und die netten Gesten von Passanten sind Obdachlose in Gütersloh nicht angewiesen. Die Stadt tut ungeheuer viel für sie, das zeigt der dem Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Soziales vorgelegte Bericht zur Situation von Obdachlosen in Gütersloh. Sozialamts-Mitarbeitern, Therapeuten und Pädagogen ist es gemeinsam gelungen, die Zahl der Menschen ohne festen Wohnsitz erstmals seit 14 Jahren auf weniger als 100 Personen zu begrenzen. Noch immer sind Kinder und Jugendliche darunter, denen dringend und mit allen Mitteln zu helfen ist. Doch in manchen Fällen stößt selbst die größte Hilfsbereitschaft an unüberwindbare Grenzen.
Diese Grenzen setzen weder ein »kalter, herzloser Kapitalismus« noch die Annahme, dass die Betroffenen in gewisser Weise »selber schuld« an ihrer Situation seien. Solche Klischees verstellen eher den Blick auf die oft verwobenen, undurchsichtigen Hintergründe jedes Einzelfalles. Scheidungen, Arbeitslosigkeit, Suchtprobleme und Schulden führen immer wieder dazu, dass die Helfer vom Sozialamt auf Resignation, Apathie und Hilflosigkeit stoßen. Immer wieder weisen sie in ihrem Bericht auf psychische Erkrankungen hin, die das Potenzial zur Selbsthilfe blockieren. Männer sind davon stärker betroffen als Frauen. In einigen Fällen können die Helfer nicht mehr tun, als das nackte Überleben der Betroffenen zu überwachen und zu unterstützen.
So sehr sich Stadt und Passanten auch bemühen - die Not der Obdachlosen wird niemals restlos abzuschaffen sein. Wir können unsere Hilfe nur immer wieder anbieten.

Artikel vom 02.09.2006