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Mystisches in Stein gehauen

Folge drei: Bildhauerin Astrid Mulch hört gern, was andere sehen

Von Silke Schade (Text und Fotos)
Bad Oeynhausen-Lohe (WB). Astrid Mulch stützt sich auf dem Podest ab und begutachtet die Büste ganz genau. Auf den Namen »Franceska« hat sie sie getauft, die Dame aus der Renaissance, die da ein wenig nachdenklich zur Seite schaut. Stolz ist deren Blick und ein bisschen erhaben: »Oder ist er vielleicht sogar arrogant?«, fragt die Bildhauerin. Sie hört gerne, was andere sehen in ihren Werken, in ihrer Kunst.

Deshalb liebt sie es auch, ihre Arbeiten der Öffentlichkeit zu präsentieren. Am 9. und 10. September beteiligt sie sich zum dritten Mal an den offenen Ateliers im Kreis Minden-Lübbecke. Jeweils von 11 bis 18 Uhr empfängt sie an den beiden Tagen Kunstinteressierte in ihrem Reich an der Rastenburger Straße 8.
Ihr Reich, das ist eine kleine Blockhütte im Garten ihres Elternhauses, mit großen Fenstern, durch die von allen Seiten das Licht einfällt, durch die mal der Sonnenschein dringt, auf die auch mal der Regen prasselt. Auf der Werkbank liegt alles verstreut, worauf kein Bildhauer verzichten kann: von der Feile bis zum Meißel. Und in der Ecke steht das, worauf kein Künstler verzichten will: seine fertigen Werke.
Bei Astrid Mulch sind das figürliche Skulpturen und Plastiken von jeder Form und Größe, alle aber entstammen ähnlicher Thematik. Aus den Schätzen der klassischen Literatur, der frühchristlichen Mystik und der mittelalterlichen Sagen schöpfe sie ihre Ideen, sagt die 40-Jährige und deutet auf das Regal, auf dem eine kleine Fantasie-Welt zu Hause ist.
Vorne hockt Till Eulenspiegel im Schneidersitz und beschaut sich im Spiegel, dahinter haben sich zwei mittelalterliche Tänzerinnen in Pose gebracht, Elf Puk aus Shakespeares Sommernachtstraum ist auch nicht weit. »Viele aus der älteren Geschichte sind unsterblich geworden«, begründet Astrid Mulch ihre Vorliebe. Und je langlebiger die Motive, desto interessanter werde das, was sie so mag: das Spiel mit Assoziationen.
Oft jedoch ist die freischaffende Künstlerin, die 2000 ihr Studium an der Fachhochschule Bielefeld abgeschlossen hat, an Vorgaben gebunden. Dann nämlich, wenn sie Auftragsarbeiten zu erledigen hat. Gerade erst hat sie einen Engel für ein Grabmal angefertigt. Verhandlungen über eine Platzgestaltung in Minden laufen noch. Stolz ist sie auch auf ihre Prinzessin, die Skulptur, die auf dem Inowroclaw-Platz steht.
Doch Aufträge sind rar, das Geschäft ist hart. Deshalb spielt sie mit dem Gedanken für ein weiteres Standbein: Sie möchte ihr Können weitergeben, Grundtechniken der Bildhauerei vermitteln. Denn: »So schwer ist das gar nicht«, lacht Astrid Mulch. Ob Interesse daran besteht, möchte sie bei den offenen Ateliers feststellen. Und sie verspricht: »Erste Tricks verrate ich dann auch.«

Artikel vom 01.09.2006