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ALG II: Ansturm auf
Arbeitslosenberatung

Rekordzahlen im ersten Halbjahr - Existenzsorgen

Von Bernd Bexte (Text und Foto)
Herford (HK). Noch nie wurde die Arbeitslosenberatung so stark nachgefragt wie im ersten Halbjahr 2006. Dennoch plagen die Einrichtung am Münsterkirchplatz Existenzsorgen. Sollte die neue Landesregierung die Ende 2007 auslaufende Förderung nicht verlängern, droht das Aus.

In den ersten sechs Monaten des Jahres gab es 699 Anfragen von Arbeitslosen an die Beratungsstelle am Münsterkirchplatz 7 sowie an die Zweigstelle in Bünde (Klinkstraße 18b).
Das ist Rekord seit Beginn der statistischen Erfassung im Jahre 1998. »So viele Fälle hatten wir früher im ganzen Jahr«, sagt Frank Riedel, Leiter der Beratungsstelle unter dem Dach von »Maßarbeit«/Arbeitslosenzentrum. Grund für diesen »Boom« ist das Arbeitslosengeld II (ALG II) und die damit verbundene Antrags-Bürokratie. »Hartz IV schafft für viele Ratsuchende leider oft mehr Probleme, als dass Lösungen zur Beendigung der Arbeitslosigkeit gefunden werden.« Anstatt sich auf die Stellensuche zu konzentrieren, stünde häufig die ALG II-Bürokratie im Vordergrund. »Viele Arbeitslose blicken nicht mehr durch.«
Der Arbeitsgemeinschaft (ARGE), die die ALG II-Empfänger betreut, treffe dabei keine Schuld, betont Riedel. »Deren Mitarbeiter sind selbst Opfer der Fehlentwicklung und haben mit der Bürokratisierung zu kämpfen.« Mittlerweile 80 Prozent aller Anfragen an die Arbeitslosenberatung betreffen das Thema ALG II. Besonders schwer hätten es dabei die so genannten »Aufstocker«, die ihr geringes, nicht Existenz sicherndes Einkommen um ALG II ergänzen. Ein Fünftel aller Ratsuchenden gehören dieser Gruppe an. Ein weiterer Schwerpunkt ist die psycho-soziale Betreuung. »Immer mehr Langzeitarbeitslose berichten über psychische Probleme.«
Neben Riedel ist Sozialarbeiterin Nadja Buchholz, die allerdings in den nächsten Wochen ausscheidet, Ansprechpartner für Ratsuchende sowie in Bünde die ehrenamtliche Mitarbeiterin Heide Kuhlmann. Dass diese Besetzung nicht ausreicht, hat auch die ARGE erkannt. Sie fördert vom heutigen 1. September sowie vom 1. Oktober an jeweils eine weitere Beratungskraft. Beide Stellen - 30 Wochenstunden auf zwei Jahre befristet - werden mit ehemals Arbeitslosen besetzt. So verfügt die Beratungsstelle unter dem Strich künftig über eine zusätzliche Mitarbeiterin.
Die Zukunft der Arbeitslosenberatung sei damit aber langfristig nicht gesichert: »Die jetzige Förderphase läuft Ende 2007 aus«, sagt Frank Riedel, der seit 1995 als Berater tätig ist. Ob die neue Landesregierung für die dann folgende fünfjährige Förderphase weiterhin Mittel bereitstellt, stehe noch nicht fest. Die Arbeitslosenberatung wird vom Land und der EU (Europäischer Sozialfonds) finanziert. Über die Verwendung der EU-Mittel entscheidet allerdings ebenfalls das Land.
l Die Arbeitslosenberatung hat montags, mittwochs (9 bis 13 Uhr) und donnerstags (14 bis 18 Uhr) offene Sprechzeiten. Anfragen sind zu richten an % 1775 20 (Riedel) oder -21 (Buchholz).

Artikel vom 01.09.2006