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Wie einst das Kaninchen vor der Schlange

Katastrophale GWD-Vorstellung beim 22:33 gegen Göppingen - Verstärkung gefordert

Von Volker Krusche
Minden (WB). Die Fans wirkten geschockt, gelähmt, kamen bis auf wenige nicht einmal dazu, nach dem Schlusspfiff ihre Unmutsäußerungen in Form von Pfiffen und Buh-Rufen kundzutun. Keiner wusste, was in den 60 Spielminuten zuvor auf dem Parkett der Kampa-Halle abgelaufen war. Desaströs und blamabel war die Vorstellung, die Handball-Bundesligist GWD Minden bei der 22:33 (10:16)-Klatsche gegen FrischAuf Göppingen, ein Team aus dem Mittelfeld, abgeliefert hatte.

Entschuldigungen für diese peinliche Darbietung gab es keine. Dem Team fehlte von der ersten Minute an jenes Feuer, dass es in der zurückliegenden Saison ausgezeichnet und mit dem es die Zuschauer in seinen Bann gezogen hatte. Bei der Heimpremiere 2006/07 loderte aber nicht einmal ein zartes Flämmchen.
Natürlich hätten die personellen Probleme als Gründe für die Niederlage herhalten können. Aber eben nicht für dieses Debakel. Klar, es wurde mehr als deutlich, wie sehr Arne Niemeyer dem Team fehlt, denn so war niemand da, der aus neun, zehn Metern mal hätte gezielt »feuern« können. Mierza Cehajic ist (noch) nicht die Verstärkung, die von der linken Seite für Gefahr sorgen soll. Moritz Schäpsmeier hat so viel mit sich selbst zu tun, dass er nur ängstlich den Ball weitergibt, anstatt den erforderlichen Druck auszuüben. Und Stephan Just, als einziger Shooter aus der zweiten Reihe, muss schon dauerhaft »Sahne-Tage« erwischen, um die für einen GWD-Sieg erforderlichen sieben, acht Tore beizusteuern.
Am Mittwoch mühte er sich redlich, jagte aber diesmal den Ball zu oft in den gegnerischen Block, was postwendend einfache Kontertore zur Folge hatte. Auch Snorri Gudjonsson, der nach überstandener Verletzung und einer einzigen Trainingseinheit nach zehn Minuten aufs Parkett kam, leistete sich gleich in seinen ersten fünf Minuten fünf Ballverluste und fand fortan nie ins Spiel. Da neben Niemeyer mit Dimitri Kouzelev auch die Position am Kreis verwaist war, kam auch von hier nie ein Fünkchen Gefahr.
Des Weiteren war Andreas Simon ein Totalausfall, stand bei seinen Würfen von Außen ständig im Wurfkreis. Die nicht einmal richtig geforderten Gäste aus Göppingen zogen GWD mit einem ganz einfachen Rezept den Zahn: stelle eine sattelfeste 6:0-Abwehr noch defensiver auf - und schon hast du den Sieg gegen GWD in der Tasche. Minden »lief sich vor der FAG-Deckung einen Wolf«.
Und nach dem Schlusspfiff kam seitens Trainer Richard Ratka nicht zu unrecht der Wunsch und die Forderung nach einer schnellstmöglichen Verstärkung des linken Rückraums auf. So, wie sich die Mannschaft am Mittwoch präsentierte, vor allen Dingen aber von jedem Gegner auszurechnen ist, wird in der 1. Bundesliga kaum ein Blumentopf zu gewinnen sein.
Hinzu kam, dass auch die Defensive wie ein aufgeschreckter Hühnerhaufen wirkte. Gerade hier wollte man sich die Sicherheit für die Angriffsaktionen holen. Doch es war bezeichnend, dass Jan-Fiete Buschmann nach 58 Minuten und 34 Sekunden urplötzlich aggressiv auf Göppingens Garcia raus ging. Warum hatte man solche Aktionen nicht schon in den 58 Minuten zuvor gesehen.
Den Namen »Abwehr« verdiente Mindens Hintermannschaft jedenfalls nicht. Kein Feuer, keine Aggressivität. Jeder war mit sich selbst beschäftigt, stand zudem noch falsch zum Mann und kam stets den entscheidenden Schritt zu spät. Von einem sich gegenseitig unterstützenden Deckungsverband ganz zu schweigen.
Göppingens Angreifer brachen bei ihren Sekunden-Angriffen durch die GWD-Abwehr wie das heiße Messer durch die Butter. Klar, dass auf den Rängen zu keinem Zeitpunkt Stimmung aufkam, wobei die angegebenen 2100 Zuschauer nur die verkauften Karten (inkl. Dauerkarten) darstellten, aber nie und nimmer in der Halle waren. So leer hat man es in der zurückliegenden Saison in der »Kampa« selten gesehen. Und die peinliche Vorstellung vom Mittwoch ist nicht gerade die beste Werbung dafür, dass hier Besserung eintritt, auch wenn die kommenden Gäste mit Hamburg und Kiel sehr attraktiv sind.
Fakt ist, dass bis auf Rechtsaußen Einer Örn Jonsson kein Feldspieler auch nur annährend Normalform erreichte. Eine Angriffseffektivität von unter 28 Prozent zeugt nicht gerade von Erstliganiveau. In Verbindung mit einer nicht vorhandenen Defensive (sie holte im ersten Abschnitt nicht einen einzigen Ball!) hatte FrischAuf leichtes Spiel, sich nach Mindens einzigen Führungen zum 1:0 und 2:1 auf 2:5 (8.), 4:8 (12.) und vom 6:9 (17.) auf 8:15 (23.) abzusetzen.
Selbst Unterzahlen hatten für die Petkovic-Mannen noch was Gutes, denn nicht aus einer der sechs FAG-Zeitstrafen konnte GWD Kapital schlagen. Hatten die Zuschauer auf den Rängen beim 10:16-Pausenstand aufgrund der Erfahrungen der Vorsaison noch die leise Hoffnung auf Besserung im zweiten Abschnitt, so wurde die schnell zerstört, als sich Göppingen vom 12:17 auf 12:22 (38.) absetzte und die Führung beim 14:27 (48.) erstmals auf 13 Treffer ausbaute.
Sicherlich bot der Gast eine konzentrierte, disziplinierte und in dieser Form selten gesehene, starke Leistung, aber GWD ließ dies auch zu und kuschte 60 Minuten lang wie das Kaninchen vor der Schlange.

Artikel vom 01.09.2006