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Erster Azubi nach 16 Jahren

Ein-Euro-Jobberin Roxana Georg beginnt heute ihre Lehre im Jugenddorf

Von Jürgen Vahle (Text und Foto)
Warburg (WB). Für Roxana Georg beginnt heute ein neuer Lebensabschnitt. Von nun an verdient die Warburgerin ihr erstes eigenes Geld, denn an diesem 1. September startet sie im Jugenddorf Petrus-Damian eine Ausbildung zur Bürokauffrau. Die 22-Jährige hat etwas geschafft, was nicht vielen Arbeitssuchenden gelingt: den Sprung von einem Ein-Euro-Job in ein festes Arbeitsverhältnis.

Etwa 240 Ein-Euro-Jobber gibt es derzeit im Kreis Höxter. Sie werden von der »ARGE« (Arbeitsgemeinschaft für die Grundsicherung Arbeitssuchender) vermittelt und kommen bei den Städten oder in soziale und caritative Einrichtungen zum Einsatz. In Wirtschaftsunternehmen dürfen sie nicht arbeiten, weil ihr Einsatz sonst die »normalen« Arbeitsplätze überflüssig machen könnte. Im Altkreis Warburg (einschließlich Beverungen) gibt es etwa 100 Ein-Euro-Jobs auf den Bauhöfen, in den Verwaltungen, bei Wohlfahrtsverbänden, in Altenheimen, Schulen und Kindergärten.
Als Ein-Euro-Jobber kommt nur derjenige in Frage, der zuvor das Arbeitslosengeld II (Hartz 4) bezogen hat. Sie erhalten dann das Arbeitslosengeld II sowie 1,50 Euro pro geleistete Arbeitsstunde zusätzlich. Ziel des Ein-Euro-Job-Programms ist es, die Teilnehmer an die Arbeitswelt heranzuführen. Sie sollen erkennen oder neu lernen, was in einem Job von ihnen erwartet wird, beispielsweise Tugenden wie Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit, berichtet Helmut Krause von der »ARGE«.
Drei bis vier Tage pro Woche sind die Jobber an ihren Arbeitsplätzen tätig, die übrige Zeit sollen sie nutzen, um sich zu bewerben oder sie werden weiterqualifiziert. Maximal sechs Monate können die Arbeitslosen in ihrem Ein-Euro-Job tätig sein. Eher selten tritt in dieser Zeit der so genannte »Klebeeffekt« ein - die Arbeitslosen bekommen eine Stelle oder einen Ausbildungsplatz.
Genau dies ist Roxana Georg aber gelungen, nachdem sie seit Mai im Jugenddorf als Ein-Euro-Jobberin tätig war. Während dieser Zeit hat sie einen so guten Eindruck hinterlassen, dass die Verantwortlichen eine Entscheidung zu ihren Gunsten trafen: Die 22-Jährige wird nach 16 Jahren die erste Auszubildende der Einrichtung.
Darauf ist die gebürtige Rumänin, die vor 15 Jahren mit ihren Eltern nach Deutschland kam, mächtig stolz. Arbeitslos bleiben wollte die neue Auszubildende, die in Baunatal den Realschulabschluss und am Johann-Conrad-Schlaun-Berufskolleg das Fachabitur bestanden hat, natürlich auf keinen Fall. Trotz ihrer guten Schulabschlüsse hatte Roxana Georg bislang auf dem Arbeitsmarkt wenig Glück. Mehr als 50 Bewerbungen um einen Ausbildungsplatz als Industrie- und Bürokauffrau sowie als Rechtsanwaltsgehilfin hatte sie zuvor abgeschickt. Die meisten kamen mit einer Standardabsage versehen zurück.
Etwas mehr als 600 Euro wird sie nun im ersten Lehrjahr verdienen. Davon kann die 22-Jährige immer noch keine großen Sprünge machen. Aber: »Nach drei Jahren habe ich einen Berufsabschluss in der Tasche. Nur das zählt«, berichtet sie.

Artikel vom 01.09.2006