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»Auch Gütersloh darf sich freuen«

31 000 Fans: WFLV-Boss Korfmacher erlebt fulminanten Auftakt zur Behinderten-WM

Von Marco Purkhart
Gütersloh (WB). »Die Party geht weiter«, ist sich Hermann Korfmacher seit Dienstag sicher. Der aus Gütersloh stammende Präsident des Westfälischen Fußball - und Leichtathletikverbandes (WFLV) war »völlig von den Socken«, als er beim Eröffnungsspiel der Fußball-WM 2006 der Menschen mit Behinderung in der Duisburger MSV-Arena unter 31 000 Fans mitwippte. Sein Fazit: »Auch Gütersloh darf sich freuen!«

Zwar heißen die Kontrahenten nicht wie beim Auftakt Deutschland und Japan. Doch die am Freitag ab 18 Uhr im Heidewaldstadion angepfiffene Partie zwischen Russland und Nordirland versprüht auch ohne Beteiligung des Gastgeberlandes einen gewissen Reiz. »Russland soll nämlich in der Gruppenphase der ganz große Konkurrent unserer Nationalelf sein«, hat sich Hermann Korfmacher sagen lassen. »Und da kann man sich schon einmal ein Bild machen, wie stark der Widersacher wirklich ist.« Schließlich sei es für die Attraktivität des am 16. September in der Leverkusener BayArena endenden Turniers von hoher Bedeutung, dass die Deutschen unter 16 Nationen möglichst weit kommen.
Wenngleich sich die Begeisterung nicht mit der erlebten Euphorie der »regulären« WM messen könne. »Solch eine gigantische Atmosphäre lässt sich natürlich nicht herbeirufen. Aber man kann diese beiden Events auch nicht unmittelbar miteinander vergleichen«, erfuhr Korfmacher statt solcher Hysterie-Ausbrüche für die »Klinsi-Kicker« unter den Menschenmassen in Duisburg eher Werte wie Solidarität und überraschende Anerkennung. Denn, womit zunächst nur wenige Außenstehende rechnen: Die Protagonisten treten durchaus mit Begabung an die Pille.
Immerhin ist das Kriterium für die Teilnahme keine körperliche Behinderung, sondern ein geistiges Handicap, das durch einen Intelligenzquotienten (IQ) von unter 75 definiert wird. Was die fußballerischen Fähigkeiten nicht zwingend schmälert. Oder wie es der beim Auftaktmatch als prominenter Unterstützer auf der deutschen Trainerbank sitzende Christoph Daum in der Bild-Zeitung formulierte: »Für Fußball brauchst du kein Abitur.«
Davon werden sich morgen auch die 5000 erwarteten Zuschauer im Heidewaldstadion überzeugen können. Viel hätte übrigens nicht gefehlt, und auf dem Grund des heimischen Oberligisten FC Gütersloh wären die begehrten Deutschen gegen die Russen zum vermeintlichen Gruppen-Showdown aufgelaufen. »Eine Vergabe schien greifbar nahe. Doch dann kam die zuerst eigentlich gar nicht berücksichtigte Bielefelder Schüco Arena kurzfristig dazwischen. Dem Vergleich mit dem Bundesliga-Palast konnte der Heidewald natürlich nicht mehr standhalten«, hätte Hermann Korfmacher die zusammen mit allen anderen Teams der Gruppe A in der Sportschule Kaiserau untergebrachten Deutschen nur zu gerne in seine Heimatstadt an die Dalke gelotst.
Der seit jeher für sein Engagement für schwächere Menschen bekannte Geschäftsführer der Gütersloher Werkstatt für Behinderte hätte sich »sein Heimspiel« am Freitag ohnehin nicht live vor Ort anschauen können. Derzeit strampelt Korfmacher sich auf einer fünftägigen Radtour nach Cuxhaven ab, die er alljährlich mit acht Gütersloher Gefährten unternimmt. »Das hat große Tradition bei uns und muss gepflegt werden. Ich habe mir auch schon die Genehmigung von Bürgermeisterin und Landrat eingeholt«, schmunzelt der Funktionär. Dass der allgegenwärtige Repräsentant der sozialen Komponente im Leistungssport ausgerechnet vor der eigenen Haustür nicht mit von der Partie ist, wird ihm wohl niemand verübeln. Als WFLV-Präsident mit gutem Draht zur DFB-Spitze dürfte Hermann Korfmacher im Hintergrund schließlich einige Fäden gezogen haben, die Gütersloh das WM-Erlebnis der etwas anderen Art überhaupt erst ermöglicht haben.

Artikel vom 31.08.2006