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Ein Geheimtipp mit Geschichte

WESTFALEN-BLATT stellt Gütersloher Kaffeehäuser vor - heute: das Museumscafé

Von Catarina Hofmann
Gütersloh (WB). »So ein Sofa hätte ich zu Hause auch gern«, sagt eine Dame mittleren Alters und setzt sich auf das samtrote Biedermeiersitzmöbel. Sie freut sich über ein Ambiente, in dem man sich wohl fühlen kann. Seit Mai hat das Museumscafé wieder geöffnet - für viele Besucher ist es ein Geheimtipp in der Gütersloher Innenstadt.

»Ja und die Frau hat zuletzt hier gewohnt«, erklärt die Besucherin ihren Freundinnen und verweist auf den quadratischen Tisch mit der Glasplatte. Darunter liegt ein Foto von Hanna Stedtfeldt. Die heutige Küche des Cafés war ihr Schlachthaus. Dort sind noch Details wie eine Stange und eine Seilwinde zu sehen. Wegen der Stange, die vermutlich einst mit Fleischerhaken und Fleischteilen bestückt war, und dem Denkmalschutz mussten alle Küchenschränke so hoch gehangen werden, dass sie jetzt nur mit einer Leiter zu erreichen sind. Dabei sollte das Haus in der ehemaligen Mauerstraße 11 hinter dem heutigen Rathaus abgerissen werden. Der Heimatverein setzte sich für die Rettung ein. 2001 wurde es per Kran an seinen heutigen Ort geschafft und seitdem auch das »Haus am Haken« genannt.
Unter der Tischplatte aus Glas sind weitere Museumsstücke zu bewundern. Am liebsten würde man jeden Gast bitten, seinen Teller mit dem hausgebackenen Kuchen anzuheben, um all die Dinge zu bewundern: handgemachte Eisennägel, eine Puppe ohne Arme und Beine, alte Fotos, Scherben, Glasmurmeln, einen Fingerhut.
In der ersten Etage geht es weiter. Eine Fotodokumentation, ein Beil, Hühnerknochen, eine Kohleschaufel - alles Dinge, die man beim Umsetzten aus der Mauerstraße fand. Nur durch eine Bretterwand getrennt ist ein kleines Schlafzimmer zu sehen. Eine steile Treppe führt vom ersten Stock zum Dachgeschoss. So stellt man sich einen alten Dachboden vor: alte Koffer, Teile aus Holz und Metall, die abgestellt irgendwann wieder gebraucht werden sollten und dann doch stehen blieben, zugedeckt von einem Schleier Staub. Nur mit eingezogenem Kopf und sehr vorsichtig sind die oberen Etagen zu besichtigen. Auch unten ist es »klein, aber fein« wie die neue Betreiberin Eva Pagenkemper aus Langenberg sagt. Sie hat alles so übernommen und nach vier Monaten Leerstand Anfang Mai wieder eröffnet. Der Start war sehr gut. Die je 28 Plätze drinnen und draußen waren gut besucht. Alt und Jung kommen hier zusammen. In den kleinen Zimmern mit den niedrigen Decken ist es gemütlich. Altes Mobiliar, wie ein zum Beispiel ein Büffet, unterstützt den Museumscharakter. »Das rote Sofa ist für viele Besucher der Lieblingsplatz und die Ecke, wo man den Blick Richtung Kolbeplatz hat. Die Leute wollen auch was sehen«, erzählt Eva Pagenkemper.
Neu sind die Bilder. Annette Hermann, die eine Malschule in Borgholzhausen betreibt, hat sie gemalt und aufgehängt. Blumenaquarelle, ein großes Erdbeerbild. Sie könne sich gut vorstellen, hier immer wieder auch andere Künstler ausstellen zu lassen, sagt die neue Inhaberin.
Auf Tee lege sie großen Wert. Teebeutel gibt es hier nicht. Nur losen Tee erlesener Sorten. Und das Beste: dazu gibt es neben den selbstgebackenen Keksen und verschiedenen Zuckersorten eine Teeuhr. Nach dem Prinzip der Eieruhr zeigt sie an, wann es Zeit ist, den Tee aus dem Wasser zu nehmen. Wenn der Tee besonders gut war, kann sich der Gast auch für zu Hause eine Probe mitnehmen. Das Weinangebot ist von einem deutschen Winzer. Beim Bier vertraut sie ihrer Herkunft. Hier gibt es Hohenfelder in Flaschen. Klein, aber fein gilt auch für die Auswahl an Spirituosen. Für Grappa und einen besonderen Walnusslikör gibt es neben dem Angebot, vor Ort zu genießen, besonders wohlgeformte Flaschen. Darin kann man sich das favorisierte Getränk abfüllen lassen.
Angesichts der Einzigartigkeit des Cafés scheint es unglaublich, was Dr. Rolf Westheider, Chef des Stadtmuseums, gehört hat: »Es soll alteingesessene Gütersloher geben, die das Café nicht kennen.« Unvorstellbar?

Artikel vom 31.08.2006