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»Haus steht
genau am
richtigen Platz«

Ausstellung trägt viele Hoffnungen

Pr. Oldendorf (wm). Wenn die Ausstellung und die Aktionswoche rund um »Das Russlands-Deutsche-Haus« in Pr. Oldendorf ähnlich viele Besucher anlockt wie die Eröffnung am Montagabend, dürften die Evangelische Kirche von Westfalen (EKvW) als Veranstalter und der Trägerkreis vor Ort ihr Engagement in Pr. Oldendorf als Erfolg verbuchen. Vorrangiges Ziel ist, das Verständnis zwischen Einheimischen und zugezogenen Russlanddeutschen zu fördern.

In seiner Begrüßung betonte Schulleiter Reinhard Mix und damit Hausherr der Ausstellung in der Hauptschule, dass sich damit die Aula als pädagogisches und Kulturzentrum bewähre. Schule sei mehr als ein Lernort. Lange Zeit habe der Schüleranteil mit Migrationshintergrund bei 50 Prozent gelegen; derzeit betrage er noch 45 Prozent - Zahlen dafür, dass die Hauptschule in Pr. Oldendorf besonders viel Integrationsleistung habe erbringen müssen. Mit rund 15 000 Unterrichtsstunden bis zum Schulabschluss sei sie eine wichtige Erziehungsinstanz mit dem Ziel, junge Menschen als mündige Bürger zu entlassen.
Er habe den Eindruck, so Mix, dass sich manche Eltern wieder den früheren Hausunterricht zurück wünschten, um ihre Kinder zu »schützen«. Derartigen Überlegungen erteilte er eine klare Absage: »Das ist kein Modell für heute, denn so abgeschottet können die Kinder werde das jetzt notwendige Wissen noch die erforderliche soziale Kompetenz erwerben. Damit kommen sie in einer pluralistischen Welt nicht zurecht. Die Familie reicht als Erziehungsgrundlage nicht aus.« Je mehr unterschiedliche Kulturen Tür an Tür lebten, desto mehr müssten junge Menschen lernen, sie zu bewerten und damit zurecht zu kommen; erst dadurch werde die eigene Persönlichkeit gefestigt.
Die Ausstellung biete die Chance, sich ein Bild von anderen Lebenswegen zu machen, die Menschen hinter sich haben - und dabei ohne bürgerliche Grundrechte und wirtschaftliche Perspektiven auskommen mussten. »Aussiedler«, so Mix, »haben ein reiches Kulturgut, von dem wir alle profitieren können - ohne Ausgrenzung.«
Schirmherrin Bürgermeisterin Anke Korsmeier-Pawlitzky eröffnete die Ausstellung offiziell. Sie solle Interesse wecken und Akzeptanz gegenüber Neubürgern erhöhen; dazu diene das umfangreiche Angebot und das »Russlands-Deutsche-Haus« als Bindeglied für alle Menschen, denn Haus sei Heimat -Êund Heimat sei dort, wo man sich wohlfühle. Letztlich werde jeder Besucher beim Besuch der Ausstellung eigene Gedanken und Gefühle habe, und das sei wichtig für Gespräche, von denen sie sich viele wünsche.
Pfarrer Christoph Kriebel dankte den vielen Helfern, die das Haus statt in vier in nur zweieinhalb Stunden aufgebaut hatten. Die unterschiedlichsten Exponate darin zeugten von Leben, Leiden und Freuden der Deutschen aus Russland. Er hoffe, dass die Ausstellung Beginn sei dafür, dass die Menschen in Pr. Oldendorf »voneinander lernen und weniger hinter dem Rücken übereinander reden«.
Edgar Born, verantwortlich für die Aussiedlerarbeit der EKvW sagte, dass Einheimische wenig wüssten von der Geschichte der Russlanddeutschen; sie komme in den Geschichtsbüchern auf beiden Seiten nicht vor. Dabei hätten dies die betroffenen Menschen durchaus verdient. »Das Russlands-Deutsche-Haus« beinhalte Geschichte und Tradition, sei aber kein Museum im üblichen Sinn. Exponate und Menschen könnten und sollten hier ihre Geschichte erzählen. »Und dabei wird man viel erfahren, was Meinungen verändert, ergänzt oder sogar umwirft«, meinte Born und fügte hinzu: »Ich glaube, dass es Menschen in Pr. Oldendorf gibt, die auf diese Woche gewartet haben. Denn die meisten unserer Ideen sind vom Trägerkreis nicht übernommen worden; er hat eigene umgesetzt.« In Pr. Oldendorf liege der Schwerpunkt der Ausstellung darauf zu erfahren, wie viel man einander zu geben habe: »Hier ist man mit dem Haus genau am richtigen Platz.«
Karl-Heinz Holt vom Diakonischen Werk, Koordinator der Ausstellung, zeigte sich überwältigt von der Aufbauhilfe. Gleichzeitig rief er dazu auf, die Schreibwerkstatt während der Ausstellung zu nutzen, um Geschichten und Bilder zu dokumentieren und sie so der Nachwelt zu erhalten.
Die Veranstaltung wurde musikalisch umrahmt von Larissa Wiebe (Klavier und Gesang) - sie kam vor 16 Jahren als Aussiedlerin nach Pr. Oldendorf -, ihrer Tochter Nicole (Cello) und Choé Salvesen (Klavier). Und als Larissa Wiebe zum Schluss ein Filmlied mit dem Titel »Wo fängt die Heimat an« sang, waren weitere Stimmen und auch leises Schluchzen kaum zu überhören . . .

Artikel vom 30.08.2006