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Uwe Schünemann

»Wir müssen uns solange einschließen, bis wir den Knoten durchgeschlagen haben.«

Leitartikel
Index-Datei

Gemeinsames mit Bedacht austauschen


Von Reinhard Brockmann
Die Argumente für die Einführung einer gemeinsamen Anti-Terror-Datei von Polizei und Geheimdiensten nehmen seit dem 11. September ständig zu. Gegenrede ist die stets gleiche Big-Brother-These, wie sie George Orwell wirkungsmächtig in das Bewusstsein der westlichen Welt gestellt hat. Die Warnung vor dem alles überwachenden Polizeistaat ist berechtigt, aber in ihrer Pauschalität längst nicht mehr haltbar.
Die seit zwei Jahren zwar schleppende, aber am kommenden Montag hoffentlich endlich vorangebrachte Diskussion über den Umgang mit sensiblen Daten ist immerhin über den Diskussionsstand »Schlapphüte kontra Orwell« hinaus. Niedersachsens Fachminister Uwe Schünemann will die Innenministerkonferenz »solange einschließen, bis wir den Knoten durchgeschlagen haben«. Es geht um ein Verzeichnis von Bürgern, egal ob sie Verdächtige, Opfer oder Zeugen eines Geschehens sind. Schon das gut gemeinte Aushelfen mit dem eigenen Handy kann zum Eintrag führen.
Informationsaustausch zwischen den Behörden gibt es heute schon. Aber das praktische Zusammenspiel hakt. Beteiligt an der geplanten Datei sind 16 Landesämter für Verfassungsschutz, 16 Landeskriminalämter (LKA), das Bundeskriminalamt, das Bundesamt für Verfassungsschutz, der Militärische Abschirmdienst, der Bundesnachrichtendienst (BND) und das Zollkriminalamt.
Die gerade für Laien auf den ersten Blick sinnvoll erscheinende »Volltextdatei« würde alle bei einem LKA oder dem BND vorhandenen Informationen allen anderen direkt zugänglich machen. Dagegen sprechen zwei Hauptargumente: V-Leute würden auffliegen und der BND keine Informationen mehr von anderen ausländischen Diensten bekommen. Dabei geht es nicht nur um französische oder britische Quellen, sondern auch ganz praktisch um den Militärgeheimdienst des Libanon, ohne den die Koffer-Bombenleger bis heute unerkannt wären.
Die wahrscheinlich kommende »Indexdatei« ist dagegen eine Art Inhaltsverzeichnis dessen, was bei den einzelnen Diensten vorhanden ist. Damit lässt sich auch das praktische Problem lösen, dass die Polizei jede bekannt werdende Straftat sofort verfolgen muss, Geheimdienste aber auch stillhalten können, um noch mehr zu erfahren. Besonders raffiniert: Es soll verdeckte Einträge geben. Damit erkennen Geheimdienstler, dass nach einer Person gefragt wird, der Fragesteller aus einem Landeskriminalamt erfährt jedoch solange nichts, wie die Agenten nicht von sich aus die Recherche beantworten.
Wer für die schnellen und einfachen Lösungen ist, mag dieses Verfahren für zu kompliziert halten. Aber die Bundesrepublik ist ein Rechtsstaat und soll das auch bleiben. Die strenge Trennung zwischen Polizei und Geheimdiensten muss absolut sein. Außerdem: Karlsruhe stellte 1999 ganz klar, dass das gewollte unterschiedliche Kontrollniveau nicht ausgehebelt werden darf.

Artikel vom 29.08.2006