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Mal souverän, mal mit Schönheitsfehlern

Organist Professor Roman Summereder eröffnete neue Reihe der geistlichen Konzerte

Marienfeld (WB). Der durch sein Buch zur Orgelkultur des 20. Jahrhunderts, »Aufbruch der Klänge«, bekannte Wiener Professor Roman Summereder eröffnete mit seinem Orgelkonzert am Freitagabend in der Abteikirche Marienfeld die Reihe der bis zum Jahresende geplanten geistlichen Konzerte.

Bildeten die am Anfang erklingende Fantasia super »Komm, Heiliger Geist, Herre Gott« BWV 651 sowie das im Mittelteil vorgetragene »Kyrie, Gott Heiliger Geist« BWV 671 einen auf Johann Sebastian Bach (1685 - 1750) sich konzentrierenden Schwerpunkt, rankte sich das übrige Konzertprogramm mit Stücken von Bachs Vorreitern, Zeitgenossen und Nachkommen wie Franz Tunder (1614 - 1667), Georg Muffat (1656 - 1704), Wolfgang Amadé Mozart (1756 - 1791), Jean Titelouze (1563 - 1633) und Robert Schumann (1810 - 1856) musikalisch um die von Bach auch musikgeschichtlich gesetzten Maßstäbe.
Bereitete Bach in der oben genannten Fantasia super durch die vom ersten Dreiklang an wie aus einem sich öffnenden Klanghimmel hereinleuchtenden und fortwährend harmonisierenden Läufe dem »Heiligen Geist« und »Herre Gott« einen Klangraum in klassischer Klarheit, strebte der Romantiker Schumann in seiner Fuge 6 über B-A-C-H op. 60, 6 mit beeindruckenden Tonartwechseln der anfänglich verhaltenen B-, der aufhellenden A-, der sonnigen C- und der die letzte Schwelle übertretenden H-Stimmung das höchste Ziel durch unaufhörliche Steigerungen bis zum langen H-Dur Schlusston in Fortissimo kontinuierlich an. In diesem Sinne interpretierte Summereder Bach sowie Schumann souverän. Die frohsinnige »Ouverture« aus Mozarts Fragment einer Suite in C KV 399 (Wien 1782) mit ihren perlenden Läufen und ihrer vielseitigen Bewegtheit gelang Summereder besser als die in Verhaltenheit verharrende »Allemande« mit ihren flehenden, fast klagenden Tonfolgen. Und es lag wohl nicht an der Verschwommenheit der Rauschtöne und auch nicht an der fragmentarischen Form letzteren Stückes allein, dass dessen verborgen musikalischer Charakter mit seinen zarten Signalen aus den Höhen etwas verloren ging. Hatte doch der Interpret schlicht und ergreifend zu vertuschen versucht, dass er wiederholt daneben gegriffen hatte.
Tunders Fantasia super »Komm, Heiliger Geist, Herre Gott« unterschied sich von Bachs namensgleichem und zuvor vorgetragenen Orgelwerk darin, dass Tunder sich um jene Vollkommenheit, welche Bach klanglich empfangen konnte, erst mit tiefer musikalischer Demutshaltung bemühte. Abgesetzte Töne mit Pausen, achtsame Läufe und das erst gegen Ende hin einsetzende Unisono von Tiefen, Mitten und Höhen, die zunächst noch über den Abstand hin kommunizierten, gelangen Summereder exakt.
Sowohl Muffats in sanften Tiefen weich beginnender und sich bis zum Oktavklang ihres abschließenden Fortissimos vielseitig aufbauender Toccata 6 aus Apparatus musico-organisticus als auch Titelouzes »Venicreator« in vier Sätzen aus Hymnes de lĂ•eglise (Paris 1623) wurde Summereder gerecht. Dennoch hätte ein wenig mehr spontane Emotion statt einseitig technischer Programmatik seinem Spiel auf der Johann Patroclus Möller-Orgel auf keinen Fall geschadet. Entsprechend förmlich applaudierte die Audienz.
Johannes Zoller

Artikel vom 29.08.2006