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Melodische Lesung mit
einer Prise Sarkasmus

Mit »Bockwurst und Schadenfreude« unterhält Kunze

Von Sonja Gruhn
Espelkamp (WB). Einen unermesslichen Schatz an Worten und Wortschöpfungen scheint Heinz Rudolf Kunze in sich zu tragen. Und dazu das Talent, diese Worte in einzigartiger Weise zu Sätzen, Geschichten und Gedichten zu formulieren.

Den meisten hauptsächlich als Sänger bekannt, präsentierte der Künstler sein Können am Freitag erstmals auch in Espelkamp anlässlich des Kreiskirchentages 2006 im Bürgerhaus mit dem Programm »Bockwurst und Schadenfreude« mit Texten und Liedern. Mit dabei sein Manager Wolfgang Stute, der ihn virtuos auf Gitarre und Percussion begleitete und gleich zu Beginn über den »genauen« Programmablauf informierte: »Anschließend wird Heinz Rudolf Kunze alles signieren, was sie ihm entgegen strecken - bis auf selbst gebrannte CDs.« Nach einer Gitarreneinlage von Stute, nahm Kunze mit dem Kommentar über Stute: »Er ist der einzige, dessen Flamenco-Fingernägel mich kraulen dürfen«, auf der Bühne Platz.
Und dann offenbarte Kunze seine Gedanken bezüglich Deutschland, der Politik, zwischenmenschlichen Beziehungen, Radiomoderatoren und Einzelschicksalen. Ob mit seiner unverwechselbaren Stimme vorgetragen oder in verschiedene Charaktere einer Geschichten geschlüpft - Vortrag und Texte boten ein unvergessliches Erlebnis und lösten, selbst bei ernsten Themen, Lachstürme aus. »Deutschland ist auf dem Weg in den Abgrund. . .  dieser Text ist auch nicht lustig. . . bitte machen sie sich Sorgen.« Ironie mit einer Prise Sarkasmus gewürzt. »Was Deutschland fehlt sind Kinder, Gehirne und Feinde. Wir sind heute sogar mit Ländern befreundet, da hätten unsere Panzer nicht mal zum Tanken angehalten.« So plädiert Kunze mit Augenzwinkern auch für die SOKO Deutschland und das »Kommando Zuversicht«. Auch schwarzer Humor fehlte nicht wie bei der Geschichte vom »Umgänglichen und dem Unumgänglichen«. Ebenso zynisch angehaucht die Story des »Berufsnichtrauchers«, der nach Feierabend Kette raucht und dem für sein Hobby »Antialkoholiker« nur wenig Freizeit bleibt.
Ein »Liebesgedicht« erhält mit Mordgelüsten einen makaberen Anstrich. Für das gerechtfertigte Anbringen des Aufklebers »Baby an Bord« sei doch bald die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes angebracht, natürlich in Verbindung mit dem »Bekenntniszwang für Kinderlose«. Die Schnelllebigkeit der Gesellschaft und die wirtschaftliche Situation ereilt auch Beziehungen: »Wir können keine Kinder bekommen, ich bin zahlungsunfähig.« Dafür liebt Er Sie »mittelfristig«, Sie Ihn eher »teilzeitweise«. Dazwischen musikalische Einlagen, mal in gewohnter Kunze-Manier, mal im Countrystil. »Und jetzt machen wir Espelkamp für einen Augenblick zur Funk-Metropole des Weltalls«. Dann müssen »Autobahnbrückenrunterwinker«, »Männerversteher« und »Sockenzustandsgeruchstester« herhalten -Êund die Verkehrsfunkmoderatoren mit ihren »Flitzerblitzermeldungen«.
Auf dem aktuellen Stand ist Kunze mit dem Grass-Fall: »Moral ausgepredigt, Günters Gedächtnis vergesslich, Auflage des Buches unermesslich.« Die eigene Kindheit und Jugend wird ansatzweise aufgearbeitet in dem Lied »Brille«: »Du musst besser sein, viel besser als der Rest.« Schließlich unterstützte Tontechniker und Bassist Peter Pichel die Akteure auf der Bühne zu »Fetter alter Hippie« und »Aller Herren Länder«. Bunt gemischt ist der Musikstil und nach der Anleihe einer Melodie von Hermann van Veen gab es stehende Ovationen.
Die technischen Probleme vor den Zugaben kommentierte Kunze mit den Worten: »Das macht nichts, die Menschen in meiner Geburtsstadt haben genügend Fantasie.« Die Spielfreude war deutlich zu spüren und schien unerschöpflich. Nach knapp drei Stunden war dieses Erlebnis dann aber leider vorbei. Passend zum Programm hatte es während der Pause Bockwürstchen gegeben und als Vorgruppe stimmte die Band »Chickens-Crossing« aus Tengern mit Liedern ihrer CDs »Szammer« und »Unplucked« ein.

Artikel vom 28.08.2006