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Michel Mettler: So kann der Schein trügen

Der Roman »Die Spange« ist nicht nur handwerklich gelungen - sondern auch noch komisch


Michel Mettler ist auf den ersten Blick ein unscheinbarer Schweizer. Er ist schmächtig, zart gebaut, feingeistig und wird wahrscheinlich öfter einfach mal übersehen und nicht nur von Jürgen Keimer wie an diesem Nachmittag. Als der Moderator nach Mettler fragt, ob er schon im Zelt sei, sitzt Mettler bereits sei mehr als einer halben Stunde in der ersten Zuhörerreihe und hört seiner Kollegin Monique Schwitter zu. Dann geht er selbst auf die Bühne und liest.
Völlig unprätentiös, scheinbar völlig unbewegt, bringt Mettler die unglaubliche Geschichte mit zarter, weicher Stimme von Anton Windl. Dessen Zahnarzt entdeckt eines Tages im Gebiss seines Patienten eine fünftausend Jahre alte Spange mit Resten einer Siedlungsanlage. Eine archäologische Sensation und ein unglaubliches Gedankenkonstrukt für ein Buch. So trocken wie der Auftakt dieser absurden Geschichte daherkommt (»Wir haben da etwas Unerwartetes in Ihrem Mund gefunden«), so trocken und konsequent zieht Mettler sein Experiment durch, Dentalmedizin und Archäologie sprachlich und wesensmäßig in einem Buch zu einer Welt des Bekloppten, Absurden und Grotesken zu verknüpfen. Eine solche Mischung kann nichts anderes als komisch sein, wenn sie als Komposition handwerklich gelungen ist. Und das ist sie. In der Komik liegt Ironie, Satire, Bitterkeit, Anklage, Hinterfragung. Mettler fühlt mit seiner Groteske auf den Zahn: Der Wissenschaft, unserer Gesellschaft. Eine unscheinbare, dafür aber unterschwellig umso nachhaltigere Bestandsaufnahme von Werten und Wahrnehmungen. Ein schönes, weil mehrschichtiges und unaufdringliches und natürlich auch sehr unterhaltsames Buch. (diko)

Artikel vom 28.08.2006