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Kliniken lassen Kranke warten

Behandlungen werden eingeschränkt - Protesttag gegen Billig-Medizin

Von Ernst-Wilhelm Pape
Bielefeld (WB). Krankenhaus-Patienten müssen sich in Zukunft auf monatelange Wartelisten einstellen und zudem auf teure Behandlungen verzichten. Das hat am Freitag die Deutsche Krankenhaus Gesellschaft (DKG) angekündigt.
Dr. Johannes Kramer: Hohe Verluste durch Streiks.
Aufgrund der finanziellen Belastungen der bundesweit 2166 Kliniken seien Leistungsreduzierungen, Personalabbau, die Schließung von Abteilungen, eine Mehrbelastung für Ärzte sowie ein Verzicht auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld unvermeidlich, sagte DKG-Sprecher Dr. Andreas Priefler. Planbare Behandlungen, dies seien 60 bis 70 Prozent aller Fälle im Krankenhaus, müssten auf die lange Bank geschoben werden. Ein Patient, der ein Hüftgelenk benötige, müsse somit länger Schmerzen ertragen. Ferner werde bei der Hüftgelenk-Operation dann die preisgünstigste Variante gewählt. »Wir sind in Deutschland auf dem Weg zur Billig-Medizin«, sagte Priefler.
Derzeit würden von einem Arzt im kommunalen Krankenhaus jährlich 133 Patienten behandelt. Die Zahl werde sich auf mehr als 180 erhöhen. In privaten Häusern betrage sie bereits 183.
Wenn die Politik nicht einlenke, müssten die Kliniken im nächsten Jahr eine finanzielle Mehrbelastung von insgesamt 2,75 Milliarden Euro verkraften. Allein die Tarifrunde der Ärzte schlage in den Uni-Kliniken, den kommunalen Kliniken sowie den kirchlichen und privaten Häusern mit 1,5 Milliarden Euro zu Buche. Ferner führe die Erhöhung der Mehrwertsteuer zu einer Mehrbelastung von 500 Millionen Euro.
In NRW betragen die Mehrkosten in den kommunalen Häusern aufgrund der Tariferhöhung 90 Millionen Euro. Allein die Verluste in den zwei Streikwochen wurden vom Geschäftsführer der Städtischen Kliniken Bielefeld, Dr. Johannes Kramer mit bis zu 1,2 Millionen Euro angegeben. Es sei fraglich ob diese Verluste aufgefangen werden könnten sagte Kramer, der auch Präsident der Krankenhausgesellschaft NRW ist.
Es müsse jetzt mit aller Macht verhindert werden, dass, wie im Rahmen der Gesundheitsreform geplant, die Krankenhausbudgets über einen »Sanierungsbeitrag« pauschal um insgesamt 500 Millionen Euro gekürzt und die Kliniken mit 250 Millionen Euro zur Anschubfinanzierung hochspezialisierter Leistungen herangezogen werden, sagte Priefler. Durch diese Kürzungen werde eine flächendeckende 24-Stunden-Versorgung fahrlässig aufs Spiel gesetzt. Am 5. September werde daher eine Informations-Kampagne an allen Kliniken gestartet. Kommunal-, Landes- und Bundespolitiker würden in »ihr« Krankenhaus eingeladen, um sich aus erster Hand über die finanzielle Notlage zu informieren. Weiterhin müsse für Ende September mit Demonstrationen von Bürgern und Patientenverbänden gerechnet werden. Lenke die Politik nicht ein, verschärfe sich der Trend zu Klinikschließungen.

Artikel vom 26.08.2006