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Bei Marktkauf droht Kahlschlag

Sanierer Schelo macht Ernst - Belegschaft befürchtet 1800 Kündigungen

Von Michael Diekmann
Bielefeld (WB). Die Mitarbeiter der Marktkauf GmbH erwartet ein eisiger Herbst mit erheblichen finanziellen und personellen Einschnitten. Befürchtet werden nicht 1000, sondern bis zu 1800 Kündigungen bei der Edeka-Tochter, davon 400 in der Bielefelder Zentrale. Weitere 1600 Mitarbeiter in den Warenhäusern sollen weniger Lohn bekommen.

Marktkauf-Arbeitsdirektor Dr. Stephan Schelo, von Edeka-Vorstandschef Alfons Frenk als Sanierer geschickt, fährt demnach einen harten Kurs. Die Situation sei dramatisch, die Stimmung an der Basis katastrophal, verlautet aus der Belegschaft. Immerhin hat sich die von Schelo geplante »Drittellösung« bei der Marktkauf-Tochter IT/EDV bereits bewahrheitet: Von 180 Mitarbeitern sollen 60 gehen. Damit müssen in der Zentrale in Bielefeld 400 von 1100 Mitarbeitern mit der Kündigung rechnen. Von Marktkauf-Sprecher Rainer Diermann gab es Freitag keine Stellungnahme.
Klare Konturen hat Schelos Streichkonzept inzwischen auch in anderen Bereichen. Mit seiner Anpassung der Führungsstrukturen will der Sanierer sieben Millionen Euro einsparen. Dafür verlieren 150 Führungskräfte der zweiten Ebene in den Märkten ihren Job oder ihre Funktion. Hauptabteilungsleiter für Food/Non-Food soll es nur noch in umsatzstarken Häusern geben. Weitere sieben Millionen Euro sollen die Fachkräfte wie Einzelhandelskaufleute beitragen. Das Stichwort heißt »Abgruppierung«, Arbeitnehmer sprechen von Degradierung oder Entwürdigung. Aus ausgebildeten Fachkräften sollen gewerbliche Kräfte in deutlich niedrigeren Besoldungsgruppen werden.
Der dann auf 700 Kräfte zusammengeschrumpften Belegschaft der Marktkauf-Zentrale an der Bielefelder Fuggerstraße möchte Schelo zusätzliche Arbeit verordnen. Sie sollen bisher externe Aufgaben der Märkte zentral übernehmen, heißt es. Der Sanierer gewänne auf diese Weise weitere drei Millionen Euro. Damit die zur wirtschaftlichen Konsolidierung zwingend erforderlichen 26 Millionen Euro realisierbar werden, stünden 300 Vollzeitstellen (umgerechnet bis zu 900 Teilzeitkräfte) in den Märkten zur Disposition -Êwas die Personalkosten um neun Millionen Euro drücken würde. Mitarbeiter und Arbeitnehmervertreter, die gerade eine Klausurtagung hatten, sehen die Planungen der Sanierer mit größter Besorgnis.
In den ohnehin schon personell ausgedünnten Märkten könne mit dem verbliebenen Personal nicht mehr wirtschaftlich und attraktiv gearbeitet werden. Die Belegschaft soll ihre grüne Arbeitskleidung künftig selbst zahlen, obendrein auf Jubiläumszahlungen verzichten. Sanierer Schelo hatte die Marktkauf-Belegschaft (26 000 Kräfte bei 17 000 Vollzeitstellen) noch Anfang August wissen lassen, das Geld »werde auf der Fläche verdient«. Deshalb müsste in der Zentrale erheblich abgespeckt werden. Längst sind auch operatives Geschäft und Kundenbetreuung nicht mehr tabu.
Bekommt Schelo am 5. September grünes Licht vom Edeka-Aufsichtsrat, soll sein Konzept noch in diesem Jahr greifen. Ein Sozialplan soll bis Ende September erreicht werden. Dann könnten die fristgerechten Kündigungen unter dem Weihnachtsbaum liegen.

Artikel vom 26.08.2006