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Falsche Identität
angenommen

Türke hatte Angst vor Blutrache

Steinhagen/Halle (fn). Auf Betrug und Urkundenfälschung lautete die Anklage gegen einen Türken aus Steinhagen vor dem Haller Amtsgericht. Der 49-Jährige hatte seit 1988 unter falschem Namen als Staatenloser aus dem Libanon mit seiner Familie in Deutschland gelebt und gab dies auch zu.

Gegenüber Behörden hatte der Türke in fünf Fällen falsche Angaben zu seinem Namen sowie seinem Herkunftsland gemacht. In der Verhandlung erzählte der Vater von sieben Kindern, der als Gärtner arbeitet, eine abenteuerliche Lebensgeschichte. So war er bereits 1967 aus seinem türkischen Heimatdorf über Syrien in den Libanon geflohen. Grund sei eine Stammesfehde gewesen: Sein Bruder soll eine Frau aus einem anderen Familienclan getötet haben. Im Libanon änderte er dort 1975 seinen Namen, um vor der Blutrache sicher zu sein. 1982 kehrte er unter seinem Geburtsnamen in sein türkisches Heimatdorf zurück - der andere Clan soll nicht mehr dort gewesen sein.
Nach dem Militärdienst lebte er weitere drei Jahre im Libanon, wollte seine Familie dann aber vor dem Bürgerkrieg in Sicherheit bringen und reiste nach Deutschland ein. Während er in Frankfurt noch einen Asylantrag unter seinem richtigen Namen stellte, gab er wenige Tage später gegenüber den Krefelder Behörden seinen falschen Namen an. Er hätte inzwischen gehört, dass die feindliche Familie in Deutschland lebe, begründete er. Beim Kreis Gütersloh beantragte er 2003 eine Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis, in Steinhagen 2004 Sozialleistungen, später auch einen Reisepass und weitere Leistungen.
Ob denn die Fehde nicht irgendwann beendet gewesen sei, wollte Richter Peeter-Wilhelm Pöld wissen. Darauf berichtete der 49-Jährige von einem Cousin, der ins Koma geprügelt worden sei, und von einem Mordanschlag auf das Clan-Oberhaupt der Gegenseite. »Möglicherweise wäre es dann doch besser, die Justiz zu bemühen«, bemerkte Richter Pöld. Die Staatsanwaltschaft wollte sich auf die ganze Geschichte nicht weiter einlassen: Betrug und Falschbeurkundung ständen zur Debatte, ein »sozialschädliches Verhalten«. Weil der Angeklagte aber geständig und ohne Vorstrafen war, wurde er zu einer Geldstrafe von 900 Euro verurteilt. Die falschen Angaben beim Asylantrag 1988 sind inzwischen verjährt.

Artikel vom 26.08.2006