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Großer Politiker und
Förderer Paderborns

Erinnerung an Begegnungen mit Rainer Barzel

Von Georg Vockel
Paderborn (WV). Rainer Barzel, Paderborns Ehrenbürger, ist tot. Einer seiner engsten Wegbegleiter seit Barzels Wahl zum Bundestagsabgeordneten war der langjährige Redaktionsleiter des Westfälischen Volksblattes, Georg Vockel, der eine sehr persönliche Rückschau hält auf die Meilensteine von Barzels 25-jähriger politischer Arbeit für Stadt und Region.

Samstag morgen sagte mir seine Frau Ute am Telefon: »Rainer ist heute früh sanft entschlafen.« Ich fand nur die Antwort: »Gott hab' ihn selig.« Das war in Erinnerung an den Schluss seines Weihnachtsbriefes 2005: »Gott segne Sie!« Angesichts der vorausgegangenen schweren Krankheit kam mir die Erinnerung an seine Worte: »Stimmt nicht ein in das Lied von schweren Zeiten. Gott hat uns jetzt gewollt und gibt uns die Kraft auch für morgen. Auf Gott können wir vertrauen!«
Wir kannten uns seit dem Mai 1957, als Dr. Rainer Barzel im Café Funke in Rietberg zum CDU-Bundestagskandidaten für den Wahlkreis Paderborn-Wiedenbrück mit 22:18 Stimmen gewählt worden war. Am Tag darauf war er mit seiner Frau Kriemhild im Paderborner Dom, um zu danken. Fast vier Jahrzehnte später, im Juni 1996, sagte er mir an gleicher Stelle beim Papstbesuch von Johannes Paul II.: »Der da oben wird's schon richten.« Er hatte inzwischen den Tod seiner Ehefrauen Kriemhild und Helga Henselder-Barzel sowie seiner einzigen Tochter Claudia betrauern müssen. Wieviel Leid kann ein Mensch ertragen?
Von 1957 bis 1980 war Dr. Rainer Barzel Paderborner Abgeordneter in Bonn. Er erreichte bei Besuchen der Minister Strauß und Krone, dass der Truppenübungsplatz Senne vor 40 Jahren nicht bis zur Bahnlinie in Hövelhof erweitert wurde, sondern nur bis zur heutigen »Panzerstraße« östlich der Emsquellen. Sein Einsatz unterstützte den Bau der Autobahnen Dortmund-Kassel und bis Bielefeld, die Gründung der Universität Paderborn, des Regionalflughafens Paderborn/Lippstadt, die Erhaltung des Bundesbahn-Ausbesserungswerkes Paderborn-Nord und viele weitere Investitionen. Er war ein Vierteljahrhundert lang »unser Mann in Bonn«.
Mit einem Traumergebnis von 71,7 Prozent war er 1957 direkt gewählt worden. »Treue um Treue« versprach Barzel seinen Wählern. Er machte unsere Region bekannt.
»Rainer Barzel aus Paderborn« wurde in der Öffentlichkeit hinzugefügt bei der Nennung seiner hohen Ämter: CDU/CSU-Fraktionsvorsitzender, CDU-Bundesvorsitzender, Bundesminister, Kanzlerkandidat und Bundestagspräsident. Konrad Adenauer schrieb Barzel 1966: »Ich würde es sehr begrüßen, wenn Sie Bundeskanzler würden!« Helmut Kohl bekannte 1994: »Ihre Ablehnung der Ostverträge und Ihr Brief zur Wiedervereinigung hielten das Tor zur deutschen Einheit offen.«
Meine Erinnerungen an einen großen Bundespolitiker und Paderborn-Förderer zur rechten Zeit bleiben. Ich durfte ihn erleben im Weißen Haus in Washington bei Präsident Richard Nixon, als Wahlkämpfer in Bayern und Berlin, auf Bundesparteitagen an der Seite von Erhard und Kiesinger und zuletzt 2004 bei den eindrucksvollen Feiern zu seinem 80. Geburtstag in München mit Angela Merkel, Edmund Stoiber und Altkanzler Helmut Schmidt sowie beim Geburtstagsempfang der Stadt Paderborn im Rathaus.
50 Jahre nach Kriegsende hat Rainer Barzel in der Paderborner Kaiserpfalz gemahnt: »Es gehört sich nicht, vor Anstrengungen wegzulaufen. Wer morgen erleben will, muss sich jetzt anstrengen.« Und schon ganz früh forderte er in den 1960er Jahren mehrfach mutig: »Es muss auch jedem Deutschen erlaubt sein, sein Vaterland zu lieben.«
Der Wunsch von Rainer Barzel, im nächsten Mai zum 50. Jahrestag seiner Wahl zum CDU-Bundestagsabgeordneten nach Paderborn zu kommen, ging nicht in Erfüllung. Wir alle hätten ihm das nach vielfachem Erfolg, aber auch nach manchem persönlichen Leid, gegönnt. Viele Menschen im Paderborner Land werden Rainer Barzel in anerkennender Erinnerung behalten. Die Stadt wird ihren Ehrenbürger nicht vergessen.

Artikel vom 28.08.2006