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»Zeit der Freiwilligkeit ist vorbei«

Podiumsdiskussion der SPD zum alarmierenden Mangel an Ausbildungsplätzen

Gütersloh (nh). »Zukunft nur mit Ausbildung«, eine Diskussion zu diesem Thema veranstalteten die SPD-Regionalratsfraktion OWL und die SPD-Kreistagsfraktion Gütersloh. Experten in der Runde waren unter anderem Landtagsabgeordneter Günter Garbrecht (Vorsitzender des Landtagsausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales), Kreisdirektor Christian Jung und Helmut Flöttmann als Ausbildungsleiter der Firma Miele.
In der Einführung in das Thema durch SPD-Kreisgeschäftsführer Wolfgang Bölling stellt dieser insbesondere den Standort OWL als sehr problematisch für Ausbildungssuchende dar. Trotz vieler engagierter Jugendlicher seien für 3000 Ausbildungssuchende lediglich 1700 zu besetzende Stellen ausgeschrieben. Als Konsequenz daraus stimmt Wolfgang Bölling dem Seniorchef der Firma Böllhoff in seinem Vorschlag zu, eine Ausbildungspflicht für Betriebe ab 20 Mitarbeitern einzuführen.
Nach der Einführung lässt auch Günter Garbrecht alarmierende Zahlen sprechen. So werde OWL in 15 Jahren die Region mit dem jüngsten Altersdurchschnitt in Deutschland sein, Ausbildungsplätze werden dennoch weiter abgebaut. Daraus resultiere ein weiteres Auseinanderklaffen von Angebot und Nachfrage. An dieser Stelle müsse mit konkreten Maßnahmen angsesetzt werden. »Die Zeit der freiwilligen Appelle ist vorbei, denn die Misere liegt ganz sicher nicht an fehlenden Qualifikationen der Bewerber, sondern daran, dass Ausbildungsplätze schlicht fehlen«, wendet sich der Politiker an die Betriebe.
Um den Ausbildungssuchenden außerhalb des dualen Ausbildungssystems berufliche Perspektiven zu bieten, wurde in den vergangenen Jahren das System der Berufskollegs erarbeitet, welches Dezernent Helmut Zumbrock dem Publikum erläutert. An Berufskollegs findet eine rein schulische Ausbildung statt. Die Praxiserfahrung erlangen die Jugendlichen ebenfalls an der Schule, zum Beispiel in simulativen »Juniorfirmen«. Diese Kollegs bewahren die Jugendlichen, die keine Ausbildung gefunden haben, einerseits davor, im Leerlauf stecken zu bleiben. Andererseits wird dieses nicht unbedingt nachfrageorientiertes System häufig kritisiert. Ausbildungsleiter Helmut Flöttmann macht dies besonders am Beispiel der Informationstechnischen Assistenten fest, welche zwar in Massen ausgebildet, von den Betrieben allerdings kaum benötigt werden.
Die gesamte Problematik beschreibt Helmut Föttmann bei weitem nicht nur als Problem der Unternehmen. So sei es für Miele jedes Jahr schwieriger, qualifizierte Schulabgänger zu finden, die die Ausbildung auch tatsächlich schaffen können: »Wir haben seit 20 Jahren den gleichen Einstellungstest und die Ergebnisse werden Jahr für Jahr dramatisch schlechter. Es ist teilweise trotz der vielen Bewerber kaum möglich, alle Ausbildungsstellen zu besetzen«.
Direkt bei den Schülern setzt auch Übergangscoach Susan Grüner an. Ihre Aufgabe besteht darin, Netzwerke zwischen der Schule und Betrieben herzustellen und den Schülern der Hauptschule Steinhagen von der ersten beruflichen Orientierung über das Schreiben der Bewerbung bis hin zum Vorstellungsgesräch zur Seite zu stehen und immer wieder Mut zu machen. Dieses Konzept scheint aufzugehen.
Übergangscoaches aus dem Publikum konnten ebenfalls von Verbesserungen an den von ihnen betreuten Schulen berichten. Projekte wie das der Übergangscoaches sind jedoch zeitlich befristet. Das Fazit der Diskussion lautete einstimmig, dass Lösungsmaßnahmen einer konsequenten, langfristigen Umsetzung bedürfen, der aber immer wieder neu angesetzte Debatten nur im Weg stünden.

Artikel vom 26.08.2006