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Das Wort zum Sonntag

 Von Pfarrerin Wirwe Grau-Wahle, Rahden


» . . .wie ein Baum, gepflanzt an den Wasserbächen, der seine Frucht bringt zu seiner Zeit und seine Blätter verwelken nicht.« Immer, wenn ich diesen Satz aus Psalm 1 lese oder höre, tauchen vor meinem geistigen Auge unwillkürlich Bilder von Urlaub und Erholung auf. Gebe ich mich ihnen hin, so sickert langsam aber sicher ein Gefühl von Entspannung, Gelöstheit und Zuversicht aus den Tiefen in mein Bewusstsein ein. Ein Baum an einem Wasserlauf -Ê ich höre das leise Rauschen, sehe Licht glitzern in Blättern und Wasser, spüre einen Luftzug, angenehm und zart. Für viele Menschen ruft dieses biblische Wort ein Bild aus einer heilen Welt hervor.
Der Baum ist trotz unserer Erfahrung von Umweltzerstörung und sterbenden Wäldern ein Symbol geblieben für Wachstum, Vitalität, Beständigkeit -Ê und für den Menschen selbst, für gelingendes Leben. Mensch und Baum scheinen verwandt: an die Erde gebunden, dem Himmel entgegenstrebend, raumgreifend ausgerichtet zwischen dem Oben und Unten.
Es scheint so selbstverständlich zu sein, wie ein Baum sich im Zyklus der Jahreszeiten ständig verändert, verjüngt, an Kraft und Gestalt zunimmt und immer und immer wieder Blätter und Früchte treibt. Und der Mensch...,
... »wie ein Baum, gepflanzt an den Wasserbächen, der seine Frucht bringt zu seiner Zeit und seine Blätter verwelken nicht.« Dass unser Leben -Ê obwohl es mit jedem Tag älter und hinfälliger wird -Êwie ein grünender Baum ist und bleibt, hängt an unserer Beziehung zu Gott. So sehr wie Gottes Liebe in unserem Leben Raum gewinnt, in dem Maße wird unser Leben immer mehr wie ein grünender Baum. Wie das geschehen kann? Zum einen, in dem wir von Gott, von seinen Taten hören, davon lesen. Zum anderen wenn wir mit Gott sprechen: Wenn wir beten, zusammen mit anderen oder alleine; wenn wir ihm sagen, was uns fehlt, woran wir leiden, was uns quält; wenn wir ihm danken für das Gute, das wir haben und empfangen...
Zum Grünen wie ein Baum gehört auch, zur Versöhnung bereit zu sein: Sich versöhnen mit der eigenen Geschichte, auch mit dem Leidvollen und Schweren darin. Sich zu versöhnen mit den Menschen, denn das Leben braucht Frieden, ist kostbar, ist unendlich wertvoll, ist viel zu schade für Bitterkeit und Streit, für Unversöhnlichkeit.
Wo Versöhnung gelebt, geliebt, praktiziert wird, da entsteht Raum für grünendes, wachsendes Leben. Da verwirklicht sich etwas vom Respekt für das Leben - das eigene und das anderer. Aus Ehrfurcht vor Gott Leben wertschätzen; aus der erfahrenen Liebe Gottes reich werden, einander zu lieben, zu begleiten; Gottes Segen zu erbitten; Gott Treue zu erweisen und davon zu erzählen wie hilfreich und rettend er in das eigene Leben eingegriffen hat; dass Gott treu ist auch in den Abgründen des Lebens - dadurch wird und ist unser Leben wie ein grünender Baum.

Artikel vom 26.08.2006