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Faszinierender Streifzug

Zuhörer von Russlanddeutscher Literatur fasziniert

Espelkamp (lip). Es waren nicht wenige, die am Mittwochabend die Stadtbibliothek in Espelkamp aufsuchten. Pastor Edgar L. Born und der Journalist Eugen Warkentin präsentierten einen Leseabend zur deutsch-russischen Literatur, die vielfältig die Zuhörer in den Bann zog.

»Hart sind meine Gedichte und vielleicht sind sie einfach nur Prosa und nicht Lyrik in Rosa«. Keine Frage, jene Schriftsteller der Russlanddeutschen Literatur wie die zitierte Nora Pfeffer durchlitten oft ein schwieriges Schicksal, gekennzeichnet von Verfolgung oder Emigration. Jene Literatur gehöre zu einem »unbeackerten Feld«, so Born, aber dieses sollte sich während der Lesung ändern, in der das Auditorium eine faszinierende Reise durch die Literaturgeschichte unternahm.
Dass überhaupt Deutsch nach dem Zweiten Weltkrieg nicht ausstarb in Russland, lag, so Warkentin »vor allem an jener Schriftstellergeneration um Victor Klein, die sich als Lehrer trotz aller Schwierigkeiten bemühte, diese Sprache lebendig zu halten«. Zustimmung fand dies auch bei der Espelkamperin Lore Reimer. Einst Schülerin in der Fakultät Kleins, hat sie auch Gedichte verfasst, von denen sie bereits am Nachmittag einige dargeboten hatte.
Insgesamt war für viele sicher überraschend, welche Expressivität von jener Lyrik ausging, was auch an dem harmonischen Duo lag; Eugen Warkentin, Korrespondent deutschsprachiger russischer Zeitungen, porträtierte aufgrund zahlreicher Interviews die Autoren aufschlussreich, während Pastor Born, Aussiedlerbeauftragter der evangelischen Kirche, durch seinen mal ironischen, mal harten Ton die Anschaulichkeit der Texte noch zu steigern vermochte.
Bedrückt vernahm das Auditorium die Klagen des Gedichtes »Ich bitte ums Wort«, in dem Nelly Wacher die Verhaftung ihres Vaters reflektiert, nachdenklich stimmten einige pointierte, ironische Gedichte Wendelin Mangolds. Einen humorvollen Abschluss fand die Lesung mit Erzählungen Alexander Reisers, Vertreter jener Schriftstellergeneration, die in Deutschland lebt. In einer Geschichte ging es um drei russische Familienväter, die bei einem Landwirt ein geschlachtetes Schwein bestellen wollten. Die Folge war ein mittelschweres Polizeiaufgebot, da es infolge unsicherer Sprachkenntnisse zu Missverständnissen kam.
Das Spannende an solchen Schriftstellern, so Born, sei es, durch die Brille eines Aussiedlers auf heimische Konventionen zu blicken. »Und vielleicht ist jene Selbstironie, die Darstellung eigener liebenswürdiger Macken und Kanten, ein Zeichen von gelungener Integration.«

Artikel vom 26.08.2006