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Verständnis für das lange Schweigen

Alf Welski verteidigt Schriftsteller Günter Grass

Von Hartmut Horstmann
Herford (HK). Die Kontroversen um die Vergangenheit des Schriftstellers Günter Grass bezeichnet Alf Welski als »überflüssiges Theater«. Der heimische Künstler hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass er selbst Mitglied der Waffen-SS war: »Ich bin damals eingezogen worden.«

Grass und Welski kennen sich aus alten Willy-Brandt-Zeiten. Der damalige Bundeskanzler hatte Künstler nach Hannover eingeladen: neben Autoren wie Böll oder Grass auch den Maler und Grafiker Alf Welski, dessen kritischer Realismus dem Geist der studentenbewegten Zeit entsprach.
Dass der Schriftsteller seine Waffen-SS-Vergangenheit verschwiegen hat, kann Welski, der zweieinhalb Jahrzehnte im Kreis Herford (Vlotho) gelebt hat, verstehen: »Egal ob man in der Waffen-SS war oder in Totenkopf-Verbänden - nach dem Krieg haben die Alliierten doch alles über einen Kamm geschoren.« Er selbst habe es nie verschwiegen und dadurch Schwierigkeiten bekommen: »Wenn Grass es auch zugegeben hätte, wäre er nie so bekannt geworden.«
Alf Welski verweist auf die eigene Biographie, die für denjenigen, der die Zeit nicht selbst erlebt hat, als extrem widersprüchlich erscheinen muss. Da ist zum einen der erklärte Anti-Nazi Welski. Da sein künstlerisches Talent bereits in jungen Jahren offensichtlich war und er als sehr portraitsicher galt, bekam er den Auftrag, ein Hitler-Bild zu malen. Doch der 15-Jährige, der damals eine Lehre im Essener Tiefbauamt machte, erwiderte, er »male Massenmörder und Lumpen nicht«. Verhöre und Gefängnis waren die Folgen. »Einflussreiche Essener Persönlichkeiten erreichen es, dass der junge Welski aus der Haft entlassen wird und das Verfahren bis zum Kriegsende ausgesetzt wird«, heißt es in einer Kurz-Biographie über Welski.
Das war im Mai 1941. Im Oktober 1943 erhielt er seinen Gestellungsbefehl bei einem SS-Flak-Regiment. Im Juli 1944 wurde Welski an der Invasionsfront in der Normandie verwundet.
Der Künstler betont noch einmal ausdrücklich, er sei eingezogen worden. In dem Wissen um die damalige Situation kann er daher in der Grass-Geschichte nichts Spektakuläres entdecken: »Es ist ein Schicksal unter vielen.«
Er selbst habe erlebt, welche Probleme man bekommen könne, so der Mann, der heute in Bad Oeynhausen lebt. Ein kleines Beispiel: Wegen seiner Verdienste um die Aussöhnung mit Polen wurde Welski fürs Bundesverdienstkreuz vorgeschlagen. Doch der Hinweis auf die SS-Vergangenheit als Jugendlicher habe genügt, um dass Ansinnen scheitern zu lassen, erfuhr der Künstler. Dass das Verhalten nicht vorbildlich war, steht für den 80-Jährigen außer Frage: »Aber es ist nun einmal so: Der Mensch ist unzulänglich.«
Eine Werkschau von Alf Welski anlässlich seines 80. Geburtstag wird am 23. September im Daniel-Pöppelmann-Haus eröffnet. Fest steht bereits jetzt, dass ein Großteil des Welski-Werkes im Kreis Herford bleibt. Ein entsprechender Vertrag sei unter Dach und Fach, sagt der Künstler, der so erreichen will, dass seine Arbeiten auch für die Nachwelt erhalten bleiben.

Artikel vom 25.08.2006