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Es den Besserwissern zeigen

GWD-Trainer Richard Ratka (2.v.r.) mit seinen Neuen Mierza Cehajic (l.), Jiri Hynek (2.v.l.) und Einar-Örn Jonsson. Foto: Volker Krusche

Richard Ratka ist trotz des Niemeyer-Ausfalls vom Klassenverbleib überzeugt

Von Volker Krusche
Minden (WB). Richard Ratka ist keiner, der in der Öffentlichkeit zu Stöhnen beginnt. Er nimmt die Gegebenheiten so, wie sie sind. Und er tut gut daran, auch wenn es in seinem Inneren durchaus anders aussehen mag. Die Verletzungsmisere, die das Bundesligateam von GWD Minden vor und während der Vorbereitung ereilte, war ja nun wirklich nicht gerade von Pappe. Und allein der langfristige Ausfall von Arne Niemeyer, der vor einigen Wochen in Neuss erfolgreich am Fuß operiert worden war und der sich durchaus so lange hinziehen könnte, dass der Kapitän erst nach der Weltmeisterschaft wieder zum Einsatz kommt, wiegt schon so schwer, dass viele Fachleute der Meinung sind, dass dies nicht zu kompensieren sei.

Doch Ratka und seine Youngster wollen es - wie schon im Vorjahr - allen Besserwissern beweisen und sind davon überzeugt, auch diesmal das Klassenziel zu erreichen. Neben der Verletzung von Niemeyer passten die Ausfälle von zwei weiteren Stammspielern Ratka natürlich überhaupt nicht in den Kram. Doch was will er machen? Dimitri Kouzelev und Snorri Gudjonsson liegen nun einmal auf Eis. Augen zu und durch! »Dann müssen eben andere solange in die Bresche springen“, sagt der Coach. Es sei für ihn allerdings sehr schwer, ein Fazit der zurückliegenden Vorbereitung zu ziehen. »Die, die da waren, befinden sich in einem sehr guten körperlichen Zustand.« Erfreulich war auch die Tatsache, dass Neuzugang Einar-Örn Jonsson alle Trainingseinheiten problemlos absolvieren konnte und keinerlei Knieprobleme auftauchten. Der Isländer würde wie auch die beiden anderen Neuen gut zum Team passen. »Sowohl menschlich, als auch Handball spezifisch. Durch sie sind wir diesmal breiter aufgestellt. Das wird sich im Laufe der Saison sicherlich positiv auswirken.«
Dem Auftaktprogramm gewinnt man angesichts der Ausfälle durchaus Positives ab. »Das vermeintlich leichteste Spiel zu Beginn der Saison ist das daheim gegen Göppingen. Und FrischAuf ist sicherlich ein richtig gutes Kaliber. Das zeigt, was uns am Anfang erwartet«, so Richard Ratka. Er sieht die ersten Partien daher auch als zusätzliche Zeit zum Einspielen und als Zeit, um sich wieder zu recht zu finden. Erst am 6. Spieltag würde mit der Partie in Balingen das erste Richtung weisende Spiel folgen.
Die Neuzugänge, insbesondere die beiden zuletzt verpflichteten Jiri Hynek und Mierza Cehajic, sieht Ratka im Gegensatz zu einigen Stimmen von außerhalb nicht als Notlösungen. »Wir haben bewusst lange gewartet, wollten kein Risiko eingehen, mit einem Schnellschuss vielleicht daneben zu liegen.« Cehajic, 27-jähriger Rückraum-Linker mit insgesamt 67 Länderspielen für Bosnien-Herzegowina auf dem Buckel, werde sowohl in der Abwehr als auch im Angriff eine gute Rolle spielen. »Wir müssen ihm allerdings noch etwas Zeit geben. Bosnien ist nicht die Bundesliga. Da muss er sich erst akklimatisieren.« Aber auch mit der höheren Trainingsintensität klar kommen. »Mierza ist aber schon sehr weit. Er spielt sicher, weiß, wann er werfen kann und muss. Er spielt Handball und ist kein reiner Shooter.« Jiri Hynek hat bereits in der Vorbereitung gezeigt, dass er in der Defensive ein ganz wichtiger Mann ist. »Er soll der Abwehr die Stabilität verleihen.« Nicht wenige sind bereits der Auffassung, dass der Tscheche auf dem Punkt schon jetzt besser deckt, als sein Vorgänger Ognjen Backovic.
Das Hauptproblem für die Hinrunde wird aber das Fehlen von Arne Niemeyer sein. »Das ist einfach nicht zu kompensieren. Wir müssen daher einfach Geduld haben, Ruhe bewahren und unsere benötigten Punkte in erster Linie wieder in der Rückrunde einfahren.« Richard Ratka sagt dies mit einer bewundernswerten Ruhe, wohl wissend, dass es wahrscheinlich ein Kreis von sechs, sieben Mannschaften ist, der in den Kellerkampf verwickelt sein dürfte. »Und da haben wir eine reelle Chance.« Mit der von »Fachmann« Peter Meisinger zugedachten Rolle des »Abstiegskandidaten« käme man sehr gut klar. »Denn abgerechnet wird wie im Vorjahr, als wir auch als klarer Absteiger gehandelt wurden, erst am Schluss. Ich jedenfalls bin optimistisch, da sich das Team sehr gut weiter entwickelt hat und vom letzten Jahr profitieren wird.« Spieler wie Moritz Schäpsmeier oder Andreas Simon hätten einen deutlichen Sprung nach vorn gemacht. Stephan Just übernimmt die Führungsrolle und füllt diese disziplinierter als im Vorjahr aus. Und von Snorri Gudjonsson erwartet Ratka nach überstandener Verletzung, dass er präsenter ist. »Er muss die Leistung aus der Vorbereitung bringen, darf auf keinen Fall nur mitspielen.«
Zu verbessern gäbe es immer was. Dazu zählen sicherlich die erste und zweite Welle, das Überzahlspiel und das Spiel über die Außen. »Aber alles muss mit einem kalkulierbaren Risiko geschehen. Unnötige Ballverluste bringen uns nicht weiter. Wir müssen uns in diesen Bereich kontrolliert verbessern«, so Ratka. Das Mindener Spiel würde weiterhin auf den Bausteinen »Beweglichkeit« und »Konzeptionen« beruhen. »Darüber gilt es gute Wurfmöglichkeiten zu schaffen. Wir müssen unsere Schnelligkeit nutzen.« Priorität wird allerdings erneut das Deckungsverhalten haben. »Außerdem brauchen wir gerade durch den Ausfall von Arne unsere Zuschauer als Rückendeckung. Sie müssen das Gespür dafür entwickeln, dass zu Saisonbeginn nicht viel zu holen sein wird. Daher ist Geduld gefordert. Die Spieler jedenfalls werden ihnen zeigen, dass sie gewillt sind, den Kampf aufzunehmen. Daher mein Appell an die Fans: Bitte gebt uns Zeit!« Ratka selbst fühlt sich in Minden sehr wohl. »Ich habe als Trainer hier meine Freiheiten, kann meine Ideen umsetzen und werde nicht von oben in ein Konzept gedrängt.« Seinen Wechsel an die Weser habe er nie bereut. »Ich würde mir einzig einen noch breiteren Kader wünschen.«

Artikel vom 25.08.2006