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Das Wort zum Sonntag

Von Christa Stausberg, Pfarrgemeinderatsvorsitzende Heilig-Kreuz


Es gibt Menschen, die in ihrer Schulzeit Erfahrungen gemacht haben, die ihnen noch heute im Gedächtnis sind. Sie waren immer die Letzten: Sei es im Sport oder bei der Zensurenvergabe. Sie waren selten beliebt bei Mitschülern. Unsere Gesellschaft ist von einem Leistungsdenken geprägt, dass uns Ältere ein wenig Angst macht. Macht und Leistung zählen. Jeder will der Erste und Beste sein. Es gilt das Gesetz des Stärken im Kampf um Posten, Politik und Wirtschaft. Wer kann sich schon freisprechen von Prestigedenken und Geltungsbedürfnis?
Wohl nicht anders wird es den Jüngern Jesu ergangen sein. Auf dem Weg nach Kafarnaum, so berichtet der Evangelist Markus im 9. Kapitel (30 - 37), dass sie, die Jünger, unterwegs darüber gestritten haben, wer von ihnen der Größte sei. Jeder hoffte natürlich, diese Stellung für sich ganz allein in Anspruch nehmen zu können. Jesus enttäuschte sie mit seiner Antwort: »Wer der Erste sein will, muss der Letzte von allen und Diener aller sein.« (Mk. 9, 35). Jesus geht uns mit gutem Beispiel voran. Aber stellt er nicht unser ganzes Lebensgefühl auf den Kopf? Da stellt sich doch die Frage, ob wir das anerzogene Streben nach Rang und Namen, nach dem ersten Platz, aufgeben sollen und unser Leben aus der Sicht Jesu gestalten sollen. Die Frage ist nicht leicht zu beantworten. Ich denke, das ein gesundes Streben nach Wohlergehen, nach Erfolg, mit vorne zu sein, nichts Schlechtes ist, solange dieses Verlangen uns nicht beherrscht. Über Erfolg- und Machtdenken dürfen wir unseren eigenen Wert nicht verlieren. Ich bin wichtig, aber so, wie es Papst Johannes XXIII. gesagt hat: »Nimm dich nicht so wichtig.«
Jesus gibt den Jüngern Antwort auf ihre Frage und zeigt damit einen Weg auf und zeigt eine neue Richtung. Für ihn ist nicht herrschen ausschlaggebend, sondern dienen; nicht verurteilen, sondern verzeihen; nicht ablehnen, sondern annehmen. Er kümmerte sich um Kranke, Ausgestoßene, Schwache, Schuldige. Er war sich nicht zu schade, den Jüngern die Füße zu waschen. Er wurde verspottet und verhöhnt und hat nicht aufgehört, die Menschen zu lieben. Er machte den Jüngern klar, wie er seine Ordnung versteht, in dem er ein Kind in die Mitte der Jünger stellt. »Wer ein solches Kind in meinem Namen aufnimmt der nimmt mich auf« (Mk. 9, 37).
Jesus zeigt seinen Jüngern und uns die richtige Sichtweise. Wie ein Kind schwach und auch verletzbar ist, dürfen wir uns Fehler und Schwächen zugestehen. Trotzdem sind wir von Gott angenommen. Kinder haben uns Erwachsenen einiges voraus. Zum einen ihre Ehrlichkeit, ihr Fragen, aber auch ihre Fähigkeit, komplizierte Dinge einfach zu erklären. Sie gehen spontan und ohne Vorurteile auf andere zu; ohne Rücksicht auf Rang und Namen. Am Beispiel des Verhaltens von Kinder können wir lernen, andere in ihrer Eigenart gelten zu lassen und die Würde des anderen zu achten. Ich bin der Ansicht, dass macht es uns auch leichter, auch mal dem anderen den ersten Platz zukommen zu lassen. Wir sind doch alle auf ein gutes Miteinander angewiesen. Haben wir doch den Mut, unseren Blick nach oben zu richten und unseren Glauben neu zu entdecken und davon in Freude zu erzählen, damit wir Gott nicht aus dem Auge verlieren. In dem Buch »Herr, da bin ich« von Michael Quoist las ich: »Ich liebe die Kinder, sagt Gott, will, dass alle ihnen gleichen. Ich liebe die kleinen Kinder, weil mein Bild in ihnen noch nicht getrübt ist. Ich liebe die Kinder, weil sie noch fähig sind, größer zu werden, weil sie noch fähig sind, sich zu erheben. Sie sind unterwegs, auf dem Wege. Ich liebe die großen Kinder, sagt Gott, weil sie noch kämpfen, weil sie noch Sünden begehen. Vor allem aber, sagt Gott, liebe ich die Kinder ob ihres Blickes, denn ich kenne nichts Schöneres als einen reinen Kinderblick. Beeilt euch, der Augenblick ist da; ich bin bereit, euch wieder ein schönes Kindergesicht zu machen, einen schönen Kinderblick . . . Denn ich liebe die Kinder, sagt Gott, und ich will, dass alle ihnen gleichen.«

Artikel vom 26.08.2006