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Computer blinken und
blecken Monsterzähne

»Case Modder« verwandeln Heim-PCs in Kunstwerke

Von Manfred Stienecke
(Text und Foto)
Paderborn (WV). Grau und langweilig kommen die meisten Computergehäuse daher. Dabei geht es auch ganz anders. Im Heinz-Nixdorf-Museum stellen zwei Hobby-Designer ihre originellen Entwürfe aus.

Wie futuristische Maschinen wirken die handelsüblichen Rechner, wenn Maico Bensien und Alexander Siener ihnen eine neue Verpackung verpasst haben. Die beiden 37-jährigen Tüftler gehören zur Crême der deutschen »Case Modder«-Szene, was soviel bedeutet wie Gehäuse-Verschönerer. In wochenlanger Arbeit verwandeln sie ihre Heim-PCs in schmucke und originelle Arbeits-Möbel, die sich per Funkfernbedienung bequem aus dem Sessel bedienen lassen, die flackern und blinken und durch viele Glasflächen hindurch ihr Innenleben preisgeben.
»Spaß macht eigentlich nur das Bauen, das Ergebnis ist dann gar nicht mehr so wichtig«, meint Alexander Siener aus Heuchelheim in der Pfalz. »Das ist so ungefähr wie bei der Modelleisenbahn.« Jedes Modell ist ein Einzelstück - und komplett in Handarbeit gefertigt. Da wird gesägt und geschweißt, gefeilt und geschraubt, bis die Idee optimal umgesetzt ist. Bis zu 1000 Stunden Arbeitszeit stecken in seinen Designer-Studien, die bei internationalen Wettbewerben schon kräftig Preise eingeheimst haben.
Auch Maico Bensien aus Hamburg darf sich wie sein Bastel-Freund Siener schon Deutscher Modder-Meister nennen. Sein gewagtester Entwurf heißt »Alien« und bleckt forsch sein Monstergebiss. Bei der Herstellung der Zähne hat ihm sein Zahnarzt wichtige Tipps gegeben. Den Fuß klebte er aus kaputten Außenspiegel-Rückseiten zusammen, und der Ausgleichsbehälter der Wasserkühlung ist aus Brillenetuis gefertigt.
Neben dem individuellen »Outfit« des Gehäuses geht es den »Moddern« nämlich um ganz praktische Verbesserungen. »Wir kommen eigentlich aus der Übertakter-Szene«, verrät Siener. Der gelernte Heizungsbauer bemüht sich genauso wie Bensien um eine Leistungssteigerung seines Computers, die mit einer deutlich erhöhten Aufheizung der Rechenmodule verbunden ist. Also muss gekühlt werden. »Wasser ist da erheblich wirkungsvoller als die Luft«, weiß Siener und konstruiert effiziente Flüssig-Kühlsysteme. Beide legen ihren ganzen Ehrgeiz zudem in die Geräusch-Minimierung der Geräte. »Ein Computer muss so leise arbeiten, dass man ihn nicht mehr hört«, so Bensien.
Jeweils vier ihrer schönsten Modelle zeigen die beiden jetzt in einer Sonderausstellung im »Show-Room« des Nixdorf-Museums. Die meisten dieser formschönen Geräte haben erste und zweite Preise bei Wettbewerben und Ausstellungen gewonnen. »Viele Leute befürchten ja, dass durch den Umgang mit dem Computer die Kreativität eingeschränkt werde«, so HNF-Geschäftsführer Dr. Kurt Beiersdörfer. »Das Gegenteil ist hier der Fall.«
Mehr als 300 geladene Gäste aus Politik, Wirtschaft und Gesundheitswesen konnten sich schon am Mittwoch Abend beim »Get Together« in der Schau umsehen.

Artikel vom 25.08.2006