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Attacke auf Polizisten geahndet

27-Jähriger erhält vom Gericht trotz Vorstrafen eine weitere Chance

Löhne (per). Dass Hassan T. (Name geändert) gestern wohlbehalten vor Gericht erscheinen konnte, verdankt er vor allem zwei besonnenen Löhner Polizisten. Denn viel hat am 15. Dezember vergangenen Jahres nicht gefehlt, und der 27-Jährige wäre in Notwehr zumindest angeschossen worden.

Der junge Kurde gab gestern vor dem Amtsgericht Bad Oeynhausen an, sich nicht mehr an die Vorfälle jener Nacht erinnern zu können. »Ich hatte einen Filmriss«, sagte der Angeklagte, der zur Tatzeit mehr als zwei Promille Alkohol im Blut hatte. Umso besser konnte sich der Polizeikommissar an den 15. Dezember 2005 erinnern. Er war mit seiner Kollegin wegen Ruhestörung zu einem Haus an der Koblenzer Straße gerufen worden. Was sie dort erwartete, habe der Ordnungshüter nach eigenen Angaben in 19 Dienstjahren noch nicht erlebt.
Der Polizeibeamte schilderte, dass Hassan T. regelrecht ausgetickt sei. Er habe dem jungen Mann, der die Polizei informiert habe, unvermittelt mit drei Faustschlägen niedergetreckt. »Seitdem leide ich unter Migräne«, sagte Hassans Opfer, ein 19-jähriger Löhner. »Ich habe den Angeklagten gepackt und ihn von dem Opfer losgerissen«, sagte der Beamte. Dabei sei Hassan zu Boden gestürzt. Dann habe er sich aufgerappelt, sei zur Küchenschublade gestürmt und bedrohte die Einsatzkräfte mit den Worten: »Ich steche Euch ab.«
»Er ist mit erhobener Faust auf uns zu gekommen, wobei ich nicht mehr mit Sicherheit sagen kann, ob oder was er in der Hand hatte.« Reflexartig hätten dann sowohl er als auch seine 23-jährige Kollegin die Dienstwaffen gezogen und auf den Angreifer gerichtet. »Er hat Glück gehabt, dass ein Bekannter von ihm dazwischen gegangen ist. Wenn er näher gekommen wäre, wäre der Reflex, einen Schuss abzugeben, möglich gewesen«, sagte der Polizeikommissar. Seine Kollegin sagte aus, dass Wahnsinn aus dem Blick des jungen Mannes abzulesen war. »Der war in diesem Moment, glaube ich, zu allem fähig.« Erst im Treppenhaus gelang es, Hassan T. mit Pfefferspray außer Gefecht zu setzen.
Der junge Mann wurde von Richter Niesten Dietrich trotz einschlägiger Vorstrafen - er verbüßte bereits mehr als zwei Jahre im Gefängnis - zu einer zehnmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt. Zu Gute hielt ihm das Gericht, dass er sich in der Verhandlung bei allen Beteiligten entschuldigte und inzwischen nach Hamburg zu seinem Bruder gezogen sei. »Dort fange ich ganz neu an. Bitte geben Sie mir diese Chance«, flehte Hassan T. und stieß auf Gehör.

Artikel vom 24.08.2006