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Erste Bauern
in der Börde

Neue Veröffentlichung des LWL

Hohenwepel/Großeneder (WB). Eine neue Publikation des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) untersucht die Steingeräte der ersten Bauern vor 7000 Jahren in der Warburger Börde.


Die Broschüre mit dem Titel »Linienbandkeramiker beiderseits des Ederbaches bei Hohenwepel/Großeneder in der Warburger Börde« hat die Geographische Kommission für Westfalen und das Westfälische Museum für Archäologie des LWL gemeinsam herausgegeben. Sie ist im LWL-Archäologiemuseum in Herne und im LWL-Naturkundemuseum in Münster erhältlich.
Die Warburger Börde ist aufgrund der Lössböden eine der fruchtbarsten Landschaften Westfalens. Deshalb verwundert es nicht, dass sich hier bereits die ersten Bauern Mitteleuropas vor mehr als 7000 Jahren niederließen. Zwei ihrer Siedlungen am westlichen Rand der Warburger Börde lagen beiderseits des Ederbaches zwischen Hohenwepel und Peckelsheim bei Großeneder.
Von diesen beiden Fundplätzen sammelte Ernst Seraphim, Geowissenschaftler und Biologe, in fast 30 Jahren etwa 7000 Steinartefakte und stellt sie mit seiner Broschüre nun auch der Öffentlichkeit vor.
Der Autor beschäftigt sich vor allem mit der Art und der Herkunft der benutzten Steinmaterialien. Dabei kam er zu dem überraschenden Ergebnis, dass die meisten Geräte nicht aus Steinen aus der unmittelbaren Umgebung der Siedlung hergestellt wurden. Für etwa 85 Prozent ihrer Feuersteingeräte, zum Beispiel für Klingen, Schaber, Kratzer oder Bohrer, verwendeten die Steinzeitbauern nordeuropäischen Feuerstein. Die nächstgelegenen Vorkommen dieses Feuersteins mit der nötigen Qualität sind an der Weser zwischen der Porta Westfalica und Hameln zu finden. Die restlichen 15 Prozent des Feuersteinmaterials wurde vermutlich sogar von den Lagerstätten im Dreiländereck Deutschland-Belgien-Niederlande bis in die Warburger Börde gebracht.
Einen noch weiteren Weg haben oft allgemein als »Felsgestein« bezeichnete Rohstoffe beziehungsweise die daraus gefertigten großen Werkzeuge wie Dechsel und Flachhacken zurückgelegt. So befinden sich Lagerstätten für den feinkörnigen Hornblendeschiefer in den Sudeten, den Westkarpaten und im Hohen Balkan nördlich von Sofia. Aus diesem Gestein stellten die Steinzeitler vermutlich vor Ort die Geräte her, die dann als Fertigprodukte über Ungarn, Mähren und Sachsen in die Hildesheimer und Warburger Börde gelangten.
Während die Warburger Bauern ihre Dechsel und Flachhacken nur dann aus lokalen Gesteinen fertigten, wenn die Lieferung des wertvollen, weit verhandelten Hornblendeschiefers ausgeblieben war, stellten sie Geräte wie Schleif- und Wetzsteine oder Mahlsteine meist aus den Gesteinen der näheren Umgebung her.
Mit seinen Untersuchungen zu den Steingeräten zeichnet der ehemalige Lehrer für Geowissenschaften und Biologie das Bild einer Gesellschaft, die zwar weitgehend autark lebte, aber trotzdem rege Handelsbeziehungen in alle Himmelsrichtungen und über zum Teil große Entfernungen unterhielt. Wie dieser Handel konkret organisiert war, werden weitere Forschungen zeigen müssen. Dann findet sich vielleicht auch eine Antwort auf die Frage, was die Bauern aus der Warburger Börde vor 7000 Jahren als Gegenleistung für die wertvollen, weit verhandelten Rohstoffe angeboten hatten.

Artikel vom 23.08.2006