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Ein Sprung in die Nachkriegswirren

Georg Thauern findet WESTFALEN-ZEITUNG aus dem Jahr 1946 - Der Bariton singt in Köln

Von Wolfgang Braun
Vörden (WB). Lüchtringen und Würgassen sollen dem Land Niedersachsen zugeschlagen werden - solche und andere verwunderliche Nachrichten las der Musicalstar und Opernsänger Georg Thauern in einem jetzt gefundenen Exemplar der WESTFALEN-ZEITUNG vom 29. November 1946. Es ist wohl eines der ältesten noch erhaltenen Exemplare im Kreis.

Thauern war unter anderem dadurch bundesweit bekannt geworden, als er den »Kini«, den legendenumwobenen Bayernkönig, in dem Musical »Ludwig II. Die Sehnsucht nach dem Paradies« im Füssener Festspielhaus sang.
Dann hatte der Bariton noch ein Engagement in Bremerhaven beendet, bevor er den Sprung ins kalte Wasser wagte und den langgehegten Wunsch wahr und sich als freiberuflicher Sänger selbstständig machte. Den Sohn des früheren Bürgermeisters Josef Thauern hatte es zudem zurück nach Vörden gezogen, wo er 1968 geboren worden war.
Er zog ins Elternhaus seiner Mutter Leonie. Bei der Renovierung stieß er auf das seltene Exemplar der Heimatzeitung schon seiner Großeltern. Das »Höxtersche Tageblatt für Politik und christliche Kultur« - Untertitel - trägt die Nummer 75 des 1. Jahrgangs. Am 15. März 1946 war die Nummer 1 der WESTFALEN-ZEITUNG unter Lizenz der Militärregierung erschienen.
Voll Interesse studiert Georg Thauern die Zeitung, die nur aus vier Seiten und aus einem Papier mit sehr rauer Oberfläche besteht. Im »Lokalteil« - Umfang: eine dreiviertel Seite - überraschen ihn die kommentarlos abgedruckten Ergebnisse der Volkszählung: »Das Amt Vörden hatte mit 5641 Personen ungefähr so viele Einwohner wie Marienmünster heute hat«. Mit sehr viel Anteilnahme liest Thauern auch die Kleinanzeigen: Sie sind zu einem großen Teil Suchanzeigen, in denen nach dem Verbleib von im Krieg- und Nachkriegswirren vermissten Brüdern, Söhnen oder Müttern geforscht wird. In einem Falle war er mit den Töchtern des Suchenden aus Ostpreußen in die Hauptschule in Vörden gegangen. Die Zeiten waren sehr unsicher kurz nach Kriegsende: Eine längere Meldung berichtet von Zugüberfällen in der sowjetisch besetzten Zone. Bei einem hatten zum Beispiel »40 schwer bewaffnete fremdsprachige Banditen einen Eilzug bei Magdeburg angehalten und ausgeplündert.«
In einer anderen Meldung weist die WESTFALEN-ZEITUNG darauf hin, dass, wenn Züge nicht fahren, Reisende auch »im geschlossenen und geheizten Oberdeck« eines Personendampfers auf der Weser nach Minden, Hameln, »Carlshafen« oder Hann.-Münden gelangen können.
Thauern kann sich als Freiberufler über einen Mangel an Auftritten nicht beklagen. So wirkt er jetzt bei einem Barockfestival in Fallersleben mit und ist beim 100. Geburtstag des Schlagerkomponisten Gerhard Winkler (»Capri-Fischer«, »Komm Casanova!«) in der Kölner Philharmonie am 15. September mit dem a-capella-Quartett »Drops« zu hören.

Artikel vom 23.08.2006