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Gemeinsamer Weg macht viel Mut

Pilotprojekt an Sonderschule in St. Petersburg -ÊÊKooperation mit dem Verein »Perspektiven«

Von Harald Iding (Text und Foto)
St.Petersburg/Nieheim (WB). Sie sprechen zwar russisch -Êaber ich höre nichts Fremdes!« Schulleiter Günter Ziems aus Eversen kam es so vor, als wenn er die Erfahrungen der vergangenen Jahrzehnte als Pädagoge noch einmal Revue passieren ließ, als er mit den Gästen über die Arbeit »seiner Schule« sprach.

Denn drei Damen aus St. Petersburg und eine Übersetzerin weilten jetzt für mehrere Stunden in der beliebten Förderschule, Schwerpunkt Geistige Entwicklung -Êeben der »Schule unterm Regenbogen« in Eversen, um sich über die Arbeitsweise, die Methodik oder auch die Ausstattung zu informieren. Eine Woche lang besuchen die Lehrkräfte der »Staatlichen Sonderschule Nummer 25« in St. Petersburg mehrere Einrichtungen für Behinderte in Deutschland, um mit möglichst vielen Anregungen und Tipps wieder heimzukehren. Nach Eversen folgen noch Stationen in Paderborn und der Hansestadt Hamburg.
Die aus Holzhausen stammende Margarete von der Borch steht dabei den engagierten Pädagoginnen als Vertreterin und Mitbegründerin des Vereins »Perspektiven« zur Seite. »Gemeinsam haben wir vor etwa einem Jahr in Russland in einem kleinen Kreis das Ziel formuliert, erstmalig in einer Schule in St. Petersburg auch Kinder mit Mehrfachbehinderungen einzuschulen. Dieser Traum wird von kommenden September an wahr, wenn als Pilotprojekt zwei Klassen mit jeweils fünf unserer Kindern realisiert werden«, betonte der »Engel von Pawlowsk«, wie Margarete von der Borch auch von den »Zöglingen« in ihrer »zweiten Heimat« genannt wird.
Ihr und damit zugleich das Engagement der vielen freiwilligen Helferinnen und Helfer des Vereins »Perspektiven« (Sitz ist in Holzhausen) wurde mit der Verleihung des »Bundesverdienstkreuzes am Bande« im deutschen Generalkonsulat in St. Petersburg vor einem Jahr (das WESTFALEN-BLATT berichtete) in besonderer Weise gewürdigt.
Der Verein, der auch von Bürgern des Kreises Höxter durch Spenden eine starke Unterstützung erfährt, kann in diesem Sommer auf zehn Jahre »Perspektiven-Engagement« im Kinderheim in Pawlowsk zurückblicken, auf sechs Jahre im Internat in Peterhof und auf die ebenso wertvolle Unterstützung von bedürftigen Familien. In diesen Projekten hätten wesentlich die jungen Freiwilligen aus Deutschland, Russland und anderen Ländern dazu beigetragen, dass sich im Leben der betreuten Menschen vieles verändert hat. »Auch die Freiwilligen sammeln bei ihrem Einsatz kostbare Erfahrungen und nehmen all die Menschen, mit denen sie dort gute wie schwere Zeiten erlebt haben, mit in ihr weiteres Leben.«
Mehr als 90 deutsche Freiwillige haben bislang für »Perspektiven« gearbeitet. »Sie waren und sind tragende Säulen der Projekte, in denen sie eingesetzt sind!«
Möglich gemacht habe das auch die »Initiative Christen für Europa, e.V.« (ICE) in Dresden und ihr langjähriger Leiter, der sich schon 1996 auf das »Abenteuer Russland« einließ und Freiwillige an »Perspektiven« vermittelte.
Der Rückhalt in der Gesellschaft für diese soziale Arbeit und das Verständnis für die Bedürfnisse von behinderten Menschen wächst von Jahr zu Jahr.
»Mittlerweile wird unsere Vereinsarbeit auch durch einige russische Privatleute und Unternehmen unterstützt. Sie tragen mit ihren Spenden dazu bei, dass heute viele russische Freiwillige in Pawlowsk und Peterhof arbeiten können - gemeinsam mit den Deutschen. Sie kommen nicht nur aus St. Petersburg, sondern aus allen Ecken Russlands.« Langfristige Hilfe sei für die Kinder und Jugendlichen in den Projekten von »Perspektiven« (der Gemeinschaft zur Unterstützung von Projekten für sozial Benachteiligte in Osteuropa) besonders wichtig. Denn nur sie gäbe Sicherheit für eine kontinuierliche Arbeit und Entwicklung.
Auf einen stabilen Boden wollen die Pädagoginnen der Staatlichen Sonderschule in St. Petersburg ihre Arbeit ebenfalls stellen und haben ein offenen Ohr für Tipps der Kollegen aus Deutschland. »Wichtig ist, dass Sie Ihre Schule gleich in die Nachbarschaft integrieren. Lassen Sie die Menschen zu Ihnen in die Einrichtung kommen und die Behinderte wiederum ihre Umwelt erkunden. Das schafft Vertrauen, baut mögliche Vorurteile ab. Wir haben hier in Eversen beste, ja schon freundschaftliche Beziehungen zu unseren Nachbarn. Gemeinsam haben wir schon viele fröhliche Feste gefeiert«, erinnerte Ziems. Der erfahrene Schulleiter wünschte den Gästen weiterhin viel Kraft, Entschlossenheit und Mut, die Herausforderungen der Zukunft zu meistern - vor allem in einer Gesellschaft, die sich im Wandel befinden würde. Den Transport der mehrfach behinderten Kinder wird in Russland der Verein »Perspektiven« übernehmen, weil die Schule selbst finanziell nicht in der Lage ist, die Schüler mit ihren Rollstühlen jeden Morgen abzuholen. Der 50-jährige Direktor der Sonderschule, die im nördlichen Zentrum der Millionenstadt St. Petersburg liegt, unterstütze dieses Projekt mit großer Leidenschaft. »Viktor Mamaev steht voll hinter dieser Grundidee, es auch Kindern mit mehreren Behinderungen, geistig wie körperlich, zu ermöglichen, eine Schule zu besuchen«, freut sich von der Borch. »Es ist hier alles so schön eingerichtet, die Kinder strahlen viel persönliche Freiheit aus. Das rührt uns an!« meinte eine der weit angereisten Damen voller Anerkennung.
Aus dem Projekt »Perspektiven« ist inzwischen eine große Bewegung geworden, die vielen Menschen eine echte »Perspektive« gibt. Jetzt kommt es erstmalig zu einer offiziellen (vertraglichen) Kooperation einer Staatlichen Einrichtung in Russland mit einem Verein -Êsie bietet den Kindern eine hoffnungsvolle Zukunft! Spendenkonto »Perspektiven e.V.«: Volksbank Steinheim, BLZ 472 643 67, KTO 402 934 93 07.

Artikel vom 23.08.2006