22.08.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Enormer Zulauf bei
der Schuldnerberatung

Warteliste immer länger - Mehr Verbraucherinsolvenzen

Von Stefan Küppers (Text und Foto)
Werther/Altkreis Halle (WB). Immer mehr Menschen tappen in die Schuldenfalle und suchen den Weg zu Schuldnerberater Artur Gerber bei der Diakonie im Kirchenkreis Halle. Doch der kann mit Kollegin Susanne Buchner der Nachfrage kaum noch gerecht werden, die Wartezeiten für eine Erstberatung sind auf mehr als drei Monate angestiegen.

Gestern Nachmittag gab der 52-jährige Artur Gerber, ein gelernter Betriebswirt und Diplom-Pädagoge, einen Überblick über seine Arbeit bei einem Treffen der Leiterinnen der Frauenhilfen des Bezirksverbandes im Gemeindehaus Werther. Seit 1994 ist Gerber als Schuldnerberater tätig, doch seine Hilfe wird immer dringlicher. Das zeigen ein paar Zahlen: Registrierte die für den Altkreis und Harsewinkel zuständige Schuldnerberatung im Jahr 2000 noch 271 Beratungsfälle, so waren es in 2005 schon 423. Und von den 366 Neuanfragen in 2005 konnten nur 251 aufgenommen werden, der Rest musste auf die lange Warteliste. Und im ersten Quartal diesen Jahres lag die Zahl der Anfragen schon wieder um rund 30 Prozent höher als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. »Wir sind längst an der Kapazitätsobergrenze angelangt«, macht Gerber deutlich, dass dringend gewünschte Hilfe eben nicht gleich in jedem Fall geleistet werden kann.
Eigentlich müsste die Schuldnerberatung um mindestens eine ganze Stelle aufgestockt werden, zumal die GT aktiv GmbH, die im Kreis die Hartz-IV-Empfänger betreut, immer mehr ihrer »Kunden« zuweist. Doch davon ist im Moment keine Rede. Die Diakonie darf wohl schon froh sein, dass neben Gerbers Stelle, die vom Kreis Gütersloh finanziert wird, die Beraterin Susanne Buchner, eine gelernte Bankkauffrau und Sozialpädagogin, vom Land NRW aus dem Fördertopf für Insolvenzberatung bezahlt wird.
Gerade die Zahl der Verbraucherinsolvenzen ist nahezu explosionsartig angestiegen. Bundesweit wurde eine Zunahme vom vergangenen zu diesem Jahr um rund 50 Prozent registriert. »Wir haben auch schon längst kein Sommerloch mehr«, stellt Gerber fest. Insbesondere bei vielen Hartz-IV-Empfängern ist eine Entschuldung über Zahlungen in überschaubaren Zeiträumen kaum noch möglich, so dass in der Regel nur eine Privatinsolvenz infrage kommt. Dabei werden bei dem Schuldner über einen Zeitraum von sechs Jahren alle Einnahmen oberhalb der Pfändungsfreigrenze an einen Treuhänder abgeführt. Zugleich dürfen in dem Zeitraum keine neuen Schulden gemacht werden. Im vergangenen Jahr gab es den ersten Klienten Gerbers, der nach den Wohlverhaltens-Jahren vom Gericht eine Restschuldbefreiung erteilt bekam.
Weil es gerade beim Insolvenzrecht auf gute Informationen ankommt, gerade auch über die Verpflichtungen von Schuldern, führt die Beratungsstelle alle drei Monate Insolvenzberatungen für Gruppen durch. Beim jüngsten Treffen vergangene Woche waren 29 Personen da. Die nächste findet erst wieder am 16. November, 19 Uhr, in der Diakonie in Halle statt.
Artur Gerber weiß, dass obwohl acht Prozent aller Haushalte als überschuldet gelten, nur ein Bruchteil der Betroffenen wegen Scham oder Nichtwissen eine Beratungsstelle wie in Halle (Außensprechstunden in Versmold, Harsewinkel und Steinhagen) aufsucht. Dabei zeigt seine Erfahrung, dass vielen Menschen geholfen werden kann, beispielsweise durch das Aufstellen von Haushaltsplänen oder auch Verhandlungen mit Gläubigern. Gerber: »Unser Ziel ist, dass man mit den Schulden was macht!« Oftmals kommen bei den Einzelberatungen dann auch andere persönliche Probleme zur Sprache, was die Diakonie mit ganzheitlichem Arbeitsansatz bezeichnet. Dabei fußt die Beratung auf drei Prinzipien: kostenlos, freiwillig und anonym. Kontakt: %0 52 01/184-84,

Artikel vom 22.08.2006